Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
gehalten.«
Lordkommandant Diegan stieß einen heftigen Fluch aus und krümmte sich sogleich unter schmerzhaften Muskelkrämpfen zusammen. »Wenn ich Gouverneur Morfett dazu bewegen kann, Euch offiziell und mit dem Siegel der Stadt einzuladen, würdet Ihr dann bleiben?«
Lysaer lächelte. »Tut das, und ich werde Euch dabei unterstützen, Städte in ganz Rathain zu mobilisieren. Dann werden wir erneut gegen Arithon s’Ffalenn marschieren, und dann werden wir so viele sein, daß all seine Zauberei ihm nicht mehr helfen wird.«
Lordkommandant Diegan entspannte sich unter seiner Decke, und seine Augen verschleierten sich in drogenumnebelter Nachdenklichkeit. »Euer Plan gefällt mir. Stimmt Pesquil dem zu?«
Lysaer lachte. »Pesquil hat Eure Schreiber schon dazu gebracht, schauerlich dahingeschmierte Botschaften für alle Kopfjägerverbände des Kontinents abzufassen, ehe auch nur die Gefallenen gezählt waren.« Für Pesquil stellte der beinahe totale Verlust seiner Männer einen wunden Punkt dar, der nur von regelmäßigen Ausbrüchen der Freude darüber gemildert wurde, daß, nach all den Jahren, in denen die Stadt sie spärlich ausgerüstet in den Kampf entsandt hatte, Steiven s’Valerients Herrschaft über den Strakewald endgültig gebrochen war.
»Ich werde mich wohl mit den Schriften über Kampfstrategien befassen müssen«, klagte Diegan wenig begeistert. »Sie sind ausufernd und langweilig, nehme ich an. Sicher keine ansprechende Belustigung für Abendgesellschaften.« Doch die kommende Saison würde so oder so recht trist verlaufen, waren doch viele der Damen allein zurückgeblieben. Für einige Minuten dämmerte Diegan vor sich hin, während der Prinz, der weit mehr über Armeen und die Kunst der Heerführung wußte als er, mit taktvollem Respekt neben ihm stand. Schließlich, die Augen geschlossen, murmelte Diegan: »Kommt im Herbst gesund zu uns zurück. Meine Schwester, die gnädige Frau Talith, wird auf Euch warten.«
»Sagt ihr …« Lysaer unterbrach sich, erfüllt von würdiger Freude, während der Hauptmann am Beginn der Kolonne Befehle brüllte, fluchende Fahrer ihre Peitschen schwangen und die Wagen sich allmählich ächzend in Bewegung setzten. Die Sonne ließ das Haar des Prinzen schimmern wie die Ware eines Seidenspinners, als er aus tiefstem Inneren sagte: »Ich werde zurückkehren und der gnädigen Frau den Hof machen. Nicht einmal dem Herrn der Schatten und seiner Finsternis darf es gestattet sein, mich von ihr zu trennen.«
Letzter Beschluß
Aus den Fallgruben, aus denen die Pfähle entfernt worden waren, wurden nun Gräber für die Gefallenen. In Windeseile vollbrachten die Clanmänner von Deshir ihr Werk, legten ihre geliebten Angehörigen auf die Leiber toter Pferde oder die Überreste der noch immer mit ihren federbuschgeschmückten Helmen und ihren Kettenhemden bekleideten Feinde. Auf den Feldern, auf denen Tausende von Toten lagen, gab es mehr zurückgelassene Waffen, als Männer, sie zu führen; und ihre lange und bittere Erfahrung verbat es den Männern, sich Zeit für die Beerdigung ihrer Gefallenen zu nehmen, stellte dies doch nur eine weitere Gefahr für die Lebenden dar.
Von der neunhundertsechzig Menschen zählenden Bevölkerung des Strakewalds hatten kaum zweihundert Männer überlebt, und die Hälfte von ihnen war verwundet. Nur vierzehn Knaben im Alter von Jieret hatten Etarras Vorstoß gegen Arithon lebend überstanden. Das Wasser des Tal Quorin war schmutzig und stank, und die einst grüne Decke alter Bäume lag umgestürzt, vom Feuer gezeichnet und noch immer schwelend danieder.
Wenn die Jäger sich nicht weit in das Labyrinth der Schluchten abseits des Tal Quorin vorwagten, fanden sie kaum noch Wild, um ihre Töpfe zu füllen.
Ebenso hungrig und müde wie die Männer, die ihre Familien und ihre Mittel, ihre Rechte an dem Land verloren hatten, hob Arithon s’Ffalenn einen moosbewachsenen, schlammverkrusteten Stein vom Boden auf und legte ihn an den Steinhaufen, der das Grab von Steiven, dem Herzog des Nordens, Caithdein und Hüter von Ithamon, markierte. An seiner Seite ruhte seine geliebte Gemahlin Dania, deren scharfer Verstand und unfehlbare Intuition nun keinen Menschen mehr provozieren und erfreuen würden. In stummem Gedenken wischte sich der Herr der Schatten die schmutzigen, aufgerissenen Finger an dem Leder ab, das sie ihm in ihrer Güte überlassen hatte. Dann legte er einen Arm über die Schultern des Knaben, der bewegungslos neben ihm
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