Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
nehmen«, preschte Lysaer vor. »Von uns allen bin ich der letzte, der die Risiken abwägen kann. Dennoch kann ich mein Leben nicht über die Notwendigkeit setzen, dieses Monster zu besiegen. Die Schutzwälle des Kielingturmes werden das Land sicher schützen, und selbst wenn wir alle hier sterben sollten, so wäre doch das Sonnenlicht für Etarra gerettet.« Wie feuchtes Gold glänzte sein Haar in der Dunkelheit, als er sich Asandirs Wünschen fügte. »Ich ziehe es vor, darauf zu vertrauen, daß Ihr uns vor den Geistern schützen könnt, so wie Ihr es in der Nacht getan habt, als mein Halbbruder und ich angegriffen wurden.«
Dieser Vorfall hatte sich einige Zeit, bevor die ungezählten Wesenheiten in Desh-Thiere in ihr Gefängnis gezwängt wurden, ereignet; dennoch behielt Asandir seine Befürchtungen für sich, als er dem Teir’s’Ilessid antwortete: »So soll es sein, Lysaer. Doch laßt Euer Herz nicht zaudern. Wenn ich rufe, werdet Ihr handeln, und das werdet Ihr bis an die äußerste Grenze Eurer Kraft tun, ohne Fragen zu stellen. Eure Gabe des Lichts wird Arithons Schatten begleiten und den Nebel verbrennen, bis alle Wesenheiten Desh-Thieres in das Innere der Wardgrenzen hineingezogen werden.«
Diese Worte und die gewaltige Verpflichtung, von der sie kündeten, trafen Lysaer mit sonderbarer Macht und Endgültigkeit. Obwohl ihm bewußt war, daß er seine Meinung später nicht mehr ändern konnte, raffte er sich zu einem gequälten Lächeln auf. »All meine Kraft steht zu Eurer freien Verfügung.«
Noch immer auf der Hut zeigte Asandir doch aufrichtige Hochachtung. »Möge Ath Euch segnen, Prinz zu s’Ilessid. Ihr scheint zu verstehen, was auf dem Spiel steht.«
Selbst der Pessimist Luhaine stimmte zu. »Dann laßt nun Dakar den Turm verlassen. Sollte das Schlimmste geschehen, so muß einer von uns draußen sein und Wache halten, bis Sethvir den Turm versiegeln kann, damit niemand ihn jemals wieder betritt.«
»Ich werde mir ganz umsonst einen Sonnenbrand holen, während ich darauf warte, daß Ihr herauskommt!« Dennoch war Dakar so erpicht darauf, den Schauplatz des Kampfes zu verlassen, daß er vor lauter Eile über seine eigenen Füße stolperte. Gemeinsam mit dem Geräusch seiner hastigen Schritte verhallten auch seine wütenden Flüche, zunächst gedämpft von dem dichten Nebel und schließlich gänzlich erstickt vom Klagen des Windes.
Desh-Thiere hüllte die Zinnen des Kielingturmes beharrlich in Düsternis, während die Zauberer ihre Vorbereitungen trafen. Kharadmon ernannte sich selbst zum Beschützer Lysaers. Auch Luhaines Bild löste sich auf, und sein erbitterter Gesichtsausdruck warnte Arithon, sein Temperament zu zügeln. Gleich, ob ihn nun vorwitzige Erkenntnis oder nur die Reizbarkeit des s’Ffalennschen Temperaments bewegte, würde doch jeder Versuch, sich dem Schutz der Bruderschaft zu entziehen, auf wenig Toleranz stoßen.
Lysaer wischte sich die schweißnassen Hände ab. Noch ehe er darüber nachdenken konnte, welch geheimnisvolle Schutzzauber von ihm Besitz ergreifen würden, blitzte ein Kreis blauweißer Energie um ihn herum auf. Seine Augen waren geblendet, und seine Sinne neigten sich einem wirbelnden Schwindel entgegen. Die Wards, die Kharadmon über ihn gesponnen hatte, durchsetzten nicht allein die umgebende Luft; sie drangen lodernd in sein Innerstes vor und waren so beharrlich, daß sie unwillkürlich seine Abwehr hervorriefen. Lysaer fühlte, wie sich jedes einzelne Haar an seinem Leibe aufrichtete. Für einen schrecklichen, endlosen Augenblick standen sein Fleisch und Geist außerhalb seiner Selbstkontrolle, erstarrt in der Unterjochung durch einen anderen Willen. Schnell ließ das unangenehme Gefühl wieder nach. Das magische Licht zerrte nicht mehr länger mit unheimlicher Gewalt an seinem Körper. Lysaer streckte sich erleichtert. Er bewegte seine Hände, dann seine Zehen und stellte zufrieden fest, daß sie nicht mehr in Paralyse gefangen waren. Er versuchte zu atmen, und gleich einem Nagel, der durch die Fasern heranwachsenden Holzes getrieben wurde, fühlte er sogleich die unveränderliche Präsenz des Wards.
Endlich erlangte er die Kontrolle über seinen Körper zurück, aber nur in dem Ausmaß, das Kharadmons schützende Magie ihm gestattete.
Bestürzt über den Umfang der Beschränkungen, die ihm seine offene Zustimmung eingebracht hatte, blieb ihm doch keine Gelegenheit, sich zu fragen, wie Arithon sich mit einer solchen Lage abfinden konnte. Über das Klagen
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