Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
schrak zurück, schützte ihn doch nichts außer seinem Hemdkragen vor dem blanken Stahl. »Seid Ihr verrückt geworden?«
»Noch nicht.« Seine Stimme war klar vernehmbar, doch die Sorglosigkeit, die er üblicherweise im Angesicht der Gefahr zeigte, wurde von seinen rasselnden, hastigen Atemzügen vertrieben. »Wo kann ich Asandir finden? Ich habe keine Zeit zu verlieren.«
Dakar betrachtete den Stahl, ehe er das Maß an Entsetzen abschätzte, das den Mann am Griff des Schwertes erfaßt haben mußte. »Asandir ist in der Ratshalle. Er sorgt dafür, daß die Minister nicht noch vor Eurer Krönung revoltieren.«
Das Gewicht der Waffe entfernte sich. Arithon wirbelte auf dem Absatz herum, blieb stehen und kam zurück. Der Wappenleopard, der in seinen Umhang eingearbeitet war, flammte auf, als würde unreines Licht über ihn streifen, als Arithon den schlichteren Umhang, der für Dakar gedacht war, unter dem gewichtigen und trägen Leib seines Besitzers hervorzerrte. Er legte das Kleidungsstück über seinen Putz und rannte eilenden Schrittes zur Tür.
»Arithon.« Dakar stemmte sich mit dem Ellbogen hoch. »Was habe ich in der Trance gesehen?«
Für einen Sekundenbruchteil schien es, als würde der Prinz von Rathain seine wilde Flucht nicht unterbrechen. Doch als der Riegel sich unter seinen Händen öffnete, antwortete er in gepeinigter Hast: »Dakar, wenn Euch der Frieden lieb ist, wenn Ihr um meinen Halbbruder besorgt seid, dann haltet ihn fern von mir! Denn wenn wir einander von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen, dann werden die Bedingungen Eurer Prophezeiung zusammentreffen. Das Ergebnis wäre ein Blutbad.«
»Was ist passiert?«
Dakar sprang hastig von der Couch auf. Die schwarzlackierte Scheide, die sich in seine Haxen geklemmt hatte, fiel klirrend zu Boden. Er stürzte vor, stieß mit dem Zeh gegen die Karfunkel und fiel mit der Schulter voran in einen Armsessel. Zu atemlos für Flüche, raffte er sich sogleich wieder auf, zumal die Nachwirkungen der Prophezeiung ihn nun endlich aus ihrem Griff entließen.
»Es geht nicht um das, was geschehen ist, sondern um das, was geschehen wird. Wir müssen nun verzweifelte Schritte unternehmen.« Arithon verschwand.
Dakar erreichte die Türöffnung gerade rechtzeitig, um den Schwung des Türblatts mit seinem Gesicht zu bremsen.
»Die Dämonen sollen dich holen!« Er hämmerte gegen das unnachgiebige Holz, bis seine Fäuste schmerzten und die Vernunft ihn mit dem Offensichtlichen konfrontierte: Arithon hatte ihn beauftragt, Lysaer zu schützen, also würde er den Außenriegel nicht vorgelegt haben.
Dakar öffnete die Tür, und plötzlich verlor er all seine Energie. Erschüttert von einer neuen Welle der Benommenheit, sank er gegen den Türrahmen und brütete über Komplikationen, die abzuschätzen ihm nicht gegeben war. Seine zweite spontane Prophezeiung vermengte sich nun mit der Vorsehung, die er früher erlebt hatte, der Prophezeiung der Schwarzen Rose, die all ihre Hoffnungen mit dem Ereignis der Machtergreifung Arithons in Verbindung brachte. Luhaines Abwesenheit bedeutete weit mehr, als daß die Sicherheit der Halbbrüder nun den Winden und somit der Gefahr überlassen war.
Die Ratshalle von Etarra, sonst stickig und dunkel wie eine Höhle, so wie sie es während Morfetts verstohlenen Ratsversammlungen zur Vereitelung der Monarchie in Rathain gewesen war, hatte eine Veränderung erfahren. Geschmückt für die Krönung, hatte sich der luftige Raum mit dem weißen Marmorfries und den vergoldeten Pfeilern regelrecht verwandelt. Die verblaßten, staubigen Banner der Handelsgilden hingen abseits an ihren Stangen, verdrängt vom Leopardenwappen der s’Ffalenns. Spitzbogenfenster, die einst hinter schweren scharlachroten Vorhängen verschwunden waren, öffneten sich nun der Morgenluft. Licht überflutete den Boden, der gerade erst frisch gewachst worden war; Sonnenstrahlen erwärmten die Zeichnung des Marmorbodens und zauberten funkelnde Reflexionen auf die Edelsteine und die Seide, die ranghohe Minister zu diesem Anlaß angelegt hatten.
Nun standen sie flüsternd in ihren Kadern beisammen und blickten sich nervös in alle Richtungen um.
Doch der diensthabende Bruderschaftszauberer hatte ausnahmsweise kein Interesse daran, ihre aufrührerischen Reden mitanzuhören. Trübsinnig wie ein Gewitter wachte Asandir in dunklem Samt über den Mittelgang vor den Podesten.
Morfett betrachtete seine stille Gestalt abschätzig, als würde er einer Natter
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