Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
erwehren, doch er traf stets nur die leere Luft.
Freundlich wandte sich Traithe an die Umstehenden, die sich gerade erst umgewandt hatten und mit offenstehenden Mündern die Balgerei verfolgten. »Darf ich Eure Hilfe erbitten?«
Unruhe breitete sich aus; gepflegte Konversation verstummte. Ehe Morfetts gekeuchte und gestöhnte Flüche sich auf die zunehmende Stille auswirken konnte, schwatzte Traithe munter weiter. »Euer Lordgouverneur scheint ganz überwältigt zu sein. Neigt er zu irgendwelchen Anfällen? Möglicherweise ist er auch durch die Hitze entkräftet. Unter diesen vielen schmückenden Lagen schweren Samtes könnte ein jeder zusammenbrechen.«
Solchermaßen aus dem Gleichgewicht gebracht und überdies durch einen ganz und gar nicht höflichen Stich in die Kniekehlen niedergerissen, kollabierte Morfett stumm zappelnd auf dem Fußboden.
Ein Rabe flatterte herab und ließ sich auf seinem Brustkorb nieder. Zumindest war das das letzte, was seine Augen wahrnahmen, ehe er, durch einen Bann seiner Sinne beraubt, auf den Teppich sank, der ausgelegt worden war, damit Arithon über ihn in feierlicher Prozession zu den Podesten ging.
Nach dem Frühstück noch zum Wein im reich ausgestatteten Salon des Gardekommandanten Etarras geladen, errötete Lysaer plötzlich. Eine Hitzewelle strömte durch seinen Leib, gefolgt von eisiger Kälte. Schnell stellte er seinen Kelch ab, ehe seine unsichere Hand noch den Inhalt verschütten konnte. In der Furcht, einem plötzlichen Fieber zu unterliegen, berührte Lysaer seine Stirn. Eine zweite Welle der Orientierungslosigkeit überkam ihn. Von der Angst gelähmt versteifte er sich, als er für einen Augenblick dem Gefühl erlag, sein Geist würde absoluter Leere entgegentrudeln, sein Selbstbewußtsein von einem anderen Willen als dem eigenen unterworfen werden.
Nur einen Herzschlag später ließ das Gefühl wieder nach. Lysaer zitterte benommen, doch erleichtert. Er war nur müde, nicht ganz bei sich. Arithons Krönung verkörperte keine Krise; seine vorübergehende Benommenheit war lediglich durch seine Nerven und seine Phantasie verursacht, ein Rest der Alpträume, die ihn seit Ithamon beständig gequält hatten. Als der gemusterte Brokatsessel, der seinen Leib stützte, wieder klar erkennbar war, sah Lysaer auf.
Die mit Ringen geschmückte Hand der gnädigen Frau Talith hatte aufgehört, ihren Terrier zu kraulen. Sie, ihr Bruder Diegan und der mit Bändern aufgeputzte Schoßhund betrachteten ihn in höflichem und erwartungsvollem Schweigen.
Was hatte er nur gerade gesagt? Lysaer mühte sich, den Faden der Konversation wieder aufzugreifen. Ein Loch schien in seinem Gedächtnis zu klaffen. Unaufmerksamkeit vermochte das nicht zu erklären. Verlegen wegen eines Lapsus, der im nachhinein betrachtet eher lächerlich erschien, versuchte er unbeholfen, die Stille durch Banalitäten zu füllen.
Diegan unterbrach ihn und widmete sich dem strittigen Punkt. »Aber die Kinder, die in den Lagerhäusern arbeiten, gehören nicht den armen, aber freien Bürgern an, wie Euer Marionettenprinz Euch glauben machen will.« Etarras Gardekommandant stellte seinen Kristallkelch ab, mit dem er während der letzten halben Stunde gespielt hatte, ohne den Wein auch nur gekostet zu haben. »Diese armen Teufel, für die Arithon eintreten will, sind tatsächlich die Kinder verurteilter Krimineller, Barbaren, die seit Generationen die Handelsstraßen mit Raub und Mord heimsuchen.«
Hitzewellen und Kälteschauer jagten einander auf Lysaers Haut. Er widerstand dem Drang, sich über die Brauen zu wischen und unterdrückte eisern seine unausgeglichene Verfassung, während er den Lordkommandanten der Stadt betrachtete, dessen Eleganz und Intellekt ihn eher als Höfling denn als Soldat erscheinen ließen und dessen Worte die Spinnweben des noch immer haftenden Spektrums vergangener Zweifel in Bewegung brachten.
S’Ffalenn-Piraten in Dascen Elur hatten wiederholt wunde Punkte in der Politik manipuliert, um Unruhe zu stiften und ihre verheerende Fehde gegen Amroth voranzutreiben.
Sich innerlich tadelnd kam Lysaer wieder zu den gegenwärtigen Umständen zurück. Dies war Etarra, nicht Port Royal, und Arithon war nicht wie seine Vorfahren. Mehr ein Musiker als ein Freibeuter, war er doch in einer Vergangenheit, die nun nicht mehr von Bedeutung war, der Erbe eines Mörders gewesen. Getrieben von seinem Sinn für Gerechtigkeit schob Lysaer sein Unbehagen von sich. »Wollt Ihr also behaupten, daß der Prinz
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