Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
die fadenscheinigen Decken vorantastete. Wohlwissend, daß Dakar jeden Augenblick hereinstolpern konnte, fügte er hinzu: »Euer Großvater mütterlicherseits war nachlässig, Euch nicht zu lehren, daß Ihr nur die Gegenwart beherrschen könnt.«
»Aber selbst das kann ich nicht«, entgegnete Arithon zähneknirschend. »Laßt mich nur einmal meinem Halbbruder begegnen, und ich werde ihn töten. Bestimmt ist er gerade eifrig damit beschäftigt, neue Armeen zu rüsten, mich zu jagen. Desh-Thieres Fluch trifft uns beide gleichermaßen. Ist es vielleicht sogar besser, daß ich meiner magischen Fähigkeiten beraubt bin? Wenn es zum Kampf kommt, so könnte ich sie dazu mißbrauchen, jeden armen irregeführten Tropf niederzumetzeln, der gegen mich in den Kampf geschickt worden ist.«
Noch jenseits dieses Kummers nagte ein anderer gleich einer stumpfen Säge an ihm: Nie hätte er zulassen dürfen, daß seine Leidenschaft für die Musik sein Urteilsvermögen in Jaelot getrübt hatte. Wäre er nicht vor Zorn über die erbärmliche Arroganz des Statthalters überwältigt gewesen, so hätte er der betörenden Resonanz paravianischer Mysterien gewiß widerstehen können; der Fluch des Nebelgeistes könnte noch immer bar seiner Macht, sein leidenschaftlicher Haß jegliches greifbaren Zieles beraubt sein.
Doch mit diesem Trugschluß räumte Asandir sogleich auf. »Ihr wißt, daß Ihr, nachdem Lysaer sich entschlossen hat, Avenor wieder aufzubauen, schon bald gezwungen wäret, den Schutz der Anonymität zu verlassen. Auch Sethvir weiß das. Er hat beschlossen, Eurem Wunsch weitgehend nachzukommen.« Mit knapper Geste deutete er auf einen Beutel, der an den vollgestopften Satteltaschen des Hengstes hing. »Jene Gegenstände, die er Euch aus dem Althainturm schickt, mögen Euch weiterhelfen. Schaut ruhig nach. Ich werde mich um Eure Gesundheit kümmern, sobald es Halliron bessergeht.«
Während nun Arithon seine Kraft sammelte, um sich zu bewegen und den Inhalt des Beutels zu untersuchen, und draußen der Regen fiel, und Dakar nunmehr den Rappen zum Ziel seiner verbissenen Flüche erkoren hatte, hob Asandir die Hände und zeichnete ein Siegel des Friedens in die Luft über dem Leib des Barden. »Wie ist Euer Befinden, Halliron, Sohn des Al’Duin?«
Von des Zauberers Hand erleichtert, bewegte sich der Barde und erwachte. »Für einen Krüppel geht es mir recht gut.« Sein gesundes Auge schien strahlender, die Pupille nicht länger geweitet zu sein. Sanfte Röte überzog seine Wangen.
Mit den Fingerspitzen strich Asandir über seinen Kieferknochen, den Hals und die Schultern. Dann begann er mit größter Vorsicht, den gelähmten Arm zu massieren. Währenddessen blickte er dem alten Mann unentwegt in sein eines Auge, in dem nun wieder ein wilder Lebensfunke glühte. Tief bekümmert sagte der Zauberer: »Der Statthalter von Jaelot wird ein übles Ende finden. Er wird unter Qualen sterben, die er selbst ersonnen hat.«
Aus dem Lallen des Barden erwuchsen nun wieder rhythmische Worte, die so wohlklingend wie aufrichtig über seine Lippen kamen. »Das tut mir leid.«
»Damit hätte ich rechnen können.« Asandirs Anspannung machte einem aufmunternden Lächeln Platz. »Seid Ihr zufrieden?«
Keiner von ihnen beachtete Arithon, der gerade dabei war, den letzten Knoten des Beutels zu lösen und nun begann, den gut verpackten Inhalt zu untersuchen.
»Sollte ich denn nicht?« Hallirons mühevolles, einseitiges Schulterzucken wirkte auf unerklärliche Weise nicht einmal unbeholfen. »Dakar hat mir versprochen, daß ich Innish wiedersehen werde. Das ist mein letzter Wunsch.«
»Das hat der Wahnsinnige Prophet gesagt?« Während seine Finger unentwegt ihre Arbeit fortsetzten, trat ein Ausdruck eiserner Härte in seine Augen. »Er verfügt über die Gabe der Hellsichtigkeit. Gewiß wird er es nicht wagen, zu lügen, nur um Euch eine Freude zu machen.«
»Nun«, sagte Halliron friedlich, »dann bin ich mehr als zufrieden. Arithon wird nun meine Lyranthe spielen.«
Asandirs zweifelnder Blick wanderte auf die andere Seite der Höhle.
Vollkommen vertieft kniete der Herr der Schatten am Boden, die Liste in Händen, die Sethvir dem Brief Maenalles hinzugefügt hatte. Schillernd reflektierten die Messinginstrumente aus der Tasche das Licht, als Asandir Arithons Gedankengang unterbrach.
»Seid Ihr Euch der Bedeutung wirklich bewußt, Teir’s’Ffalenn?«
Erschrocken blickte Arithon auf, als er diesen unwillkommenen Titel vernahm. »Vergebt
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