Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
regelmäßigem Wechsel seines Reittieres im Sattel zugebracht. Wunde Stellen an seiner Kehrseite und seinen Knien peinigten ihn mit üblen Schmerzen, und waren doch kaum der Rede wert, verglichen mit dem Groll, den er ob des Bannes empfand, mit dem Asandir ihn belegt hatte. Aufgebracht wie eine ausgeräucherte Hornisse, stapfte Dakar, die wärmende Abendsonne im Rücken, über den schmalen, steinigen Weg zu dem Ort, an dem er den Schrein Aths finden würde.
Keines Menschen Stimme durchbrach die heiseren Schreie fischender Vögel. Das Rauschen der Brandung, das vom Strand heraufklang, schien das letzte Geräusch in dieser Welt zu sein. Die einzige Spur menschlicher Gegenwart war der Moschushauch veredelten Wachses, den der Wind über die Klippen herbeitrug. Dakar mußte sich am Felsen festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Nach Tagen des Hungers und des Durstes fühlte er sich sehr schwach, und die schwache Ausdünstung der Kerzenflammen drohte, ihm die Sinne zu rauben.
Der Pfad fiel langsam ab. Vor ihm, zur Linken lag eine schattige Grotte, geschützt vor den Geräuschen des Meeres und abgeschnitten vom Licht des Tages. Kein Priester und kein Diener pflegte diesen Ort, an dem Quellwasser melodisch über die dunkle Erde strömte, um sich schließlich plätschernd ins Meer zu ergießen. Oberhalb des Randes der übersprudelnden Quelle befanden sich Vertiefungen im natürlich gewachsenen Felsen, überzogen von karbongeschwärztem, geronnenen Wachs, das von Flechten und Moosen überwuchert wurde.
Inmitten unzähliger Opfergaben zu Ehren der Mysterien Aths, umgeben von frischen, gezogenen Bienenwachskerzen von weißer und güldener Farbe, flackerten Flammen in der feuchten Seeluft. In ihrem Lichtschein erkannte Dakar die Silhouette Arithons, des Herrn der Schatten, der, genau wie es die Kräuterhexe in Tharidor vorhergesagt hatte, in dem Schrein stand.
In diesem Augenblick hätte er gut und gerne sterben können, hätte Dakar ein Messer getragen. Unbewaffnet und so zornig, daß es ihm die Kehle zuschnürte, mußte er sich doch eingestehen, daß es ihm an Wissen mangelte, einen Bannzauber zu lösen, blieb der Wahnsinnige Prophet erfüllt von tiefem Haß hilflos stehen.
Falls der Feind, den zu erdrosseln er sich von Herzen wünschte, die näherkommenden Schritte gehört hatte, so wandte er sich doch nicht ein einziges Mal um, sondern entzündete seine letzte Kerze und stellte sie gemeinsam mit Hunderten anderer auf einem Felsensims auf. Minuten zogen dahin. Der Himmel jenseits der Grotte verfärbte sich purpur, schließlich indigoblau, während im Inneren flackernde Flammen zischten und schrumpften, um nach und nach vom Wachs erstickt zu werden.
Noch immer wandte Arithon sich nicht um. Ohne ein Ziel für seinen Zorn fluchte Dakar vor sich hin, bis die Vernunft ihn mit der Frage belästigte, was einen Mann dazu bringen mochte, in der Abenddämmerung ganz allein im Schrein Aths Kerzen abzubrennen.
»Er kann nicht tot sein!« brach es aus dem Wahnsinnigen Propheten hervor. »Daelion, Herr des Schicksals, erhöre nur dieses eine Gebet. Sag mir, daß Halliron nicht gestorben ist, bevor Asandir ihn zurück nach Innish bringen konnte.«
Arithon senkte den Kopf. »Er ist heute morgen von uns gegangen. Kurz nach Sonnenaufgang.« Flüsternd, aber mit ruhigen Worten, fügte er hinzu: »Sethvir hat einen Wahrsager informiert, der mich aufgespürt und informiert hat.«
Peinlich berührt schluckte Dakar. »Es tut mir leid. Ath, es tut mir so leid.«
Ergriffen von Kummer und Selbstmitleid tastete er nach einem Felsen, auf dem er sich niedersetzte und seinen Tränen freien Lauf ließ. Aus Respekt zu Ehren des verstorbenen Barden verhielt er sich ruhig, bis auch die letzte Kerze heißes Wachs versprühend aufflackerte und verlosch; nur eine erstickte Flamme unter Tausenden, ein Ehrenlicht für einen meisterhaften Minnesänger, dessen Begabung für Millionen anderer in unerreichbarer Ferne lag.
Inzwischen hatte die Nacht auch das letzte Licht des Tages vertrieben. Eine Bewegung in der Dunkelheit, und Dakar wischte sich die feuchten Wangen an den Ärmelstulpen ab. Er hob den Kopf, strich sich das klebrige Haar aus der Stirn und erkannte, daß die Grotte mit dem Schrein verlassen war.
Nachdem er sich einen Augenblick suchend umgesehen hatte, entdeckte er Arithon, der unbeweglich in der Finsternis stand, die nichts vor ihm verbergen konnte. Von weiß schimmernden Gischttropfen bedeckt, doch ordentlich in seine schwarzen
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