Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
weiteren Beschimpfungen ein jähes Ende. Flaschen kippten, fielen; verschütteter Schnaps benetzte die Dochte umherrollender Kerzen. Niemand rührte sich, um Wasser herbeizubringen. Als die Schnapspfützen mit blauer Flamme Feuer fingen, drängten sich die nächststehenden Streithähne nur weiter vom Tresen fort. Kämpfer wie Zuschauer wichen rasch zurück und stürzten in heilloser Flucht übereinander, während die gierigen Flammenzungen an Beinen und Hintern ihrer Opfer leckten und ihre Haut mit Brandblasen überzogen.
Erpicht darauf, den neuen Umgestaltungsmaßnahmen der Seeleute zu folgen, reckte der Wirt, keineswegs gewillt, sich beschwichtigen zu lassen, das Kinn vor und rieb sich die Hände wie ein Steuereintreiber, der den Zehnten ausrechnet. »Die Mannschaft des Drachen bedeutet Ärger. War schon immer so. Auf Euer Wort, sie zu zügeln, habe ich sie hier hereingelassen. Tja, nun, mein ganzes Leben besteht nur aus Kummer. Jedes Halunkenpack, dessen Kapitän …«
»Kein Wort mehr«, schnappte eine seidenweiche Altstimme.
Der Wirt zuckte zusammen, blinzelte und hörte auf zu sprechen, während er mit geweiteten Augen auf das Entermesser starrte, das auf seinen Bauch gerichtet war.
»Ruhig«, sagte die Frau mit einem glänzenden, schwarzen Zopf entschlossen. Sie erhob sich. Sie war kräftig und schien bis ins Innerste bereit zu sein, zuzustoßen. »Erdreiste dich noch einmal, mir zu sagen, wie ich mit meinen Männer umzugehen habe, und ich werde deine Eingeweide mit Vergnügen zu Fischfutter verarbeiten. Die Schäden in deiner Taverne werden zu meiner Zufriedenheit beglichen werden, aber erst, wenn meine Männer auch den letzten Zweifel an ihren Fähigkeiten ausgeräumt haben.«
Dakar blieb wie angewurzelt stehen. Mit herabhängendem Unterkiefer starrte er Arithon fragend an. »Kapitän Dhirken?« formte er sodann tonlos mit den Lippen, vollkommen erschüttert von dem Gedanken, daß der Kapitän eben diese Frau sein könnte.
Arithons Mundwinkel zuckten. »Keine andere. Du solltest eigentlich wissen, daß Huren im allgemeinen keine Seemannsstiefel tragen.«
Dakar tastete hinter seinem Rücken nach einem Stuhl, fand einen, hob ihn auf und setzte sich. »Eine Frau«, sagte er, noch immer tonlos. Dann, wehleidig und entschieden lauter: »Ach, bei allen Dämonen, um welchen Einsatz in diesem Chaos Sithaers spielt Ihr eigentlich?«
Doch der Blick des Herrn der Schatten richtete sich bereits an ihm vorbei in den Gastraum, in dem der Tumult nun recht zielgerichtete Züge trug. Der hagere Mann und seine Kumpane lagen bewußtlos mit dem Gesicht nach unten auf einem Haufen, während, Schulter an Schulter wie Brüder, Dhirkens Männer in grimmiger Übereinstimmung auf die restlichen, noch stehenden Kämpfer eindrangen, um auch diese niederzuringen.
Einigermaßen erholt von dem Schrecken, den ihm das Entermesser eingejagt hatte, nahm der Wirt die Plauderei wieder auf.
Dakar war unfähig, weiter zu lauschen. Erzürnt angesichts der kaltschnäuzigen Gleichmut seines Opfers und sich gänzlich der Tatsache bewußt, daß dieser kesse Kapitän jede weitere Provokation zum willkommenen Anlaß für einen Racheakt nehmen würde, ließ er seinem lasterhaften Ansinnen, den s’Ffalenn aus der Ruhe zu bringen, freien Lauf. »Wozu der Wirbel, Fräulein? Euren Männern scheint die Abwechslung Freude zu machen.«
Dhirken wirbelte herum. Ihr Gesicht war schmal, und rund um ihre gebräunte Nase herum verteilten sich Sommersprossen wie feingestreute Spritzer sienaroter Tinte. »Du!« Pfeifend fuhr ihr Entermesser durch die Luft, um ein neues Ziel anzuvisieren. »Habe ich nicht genug Probleme, auch ohne einen Kerl wie dich, der meinen Maat nur zum Spaß bis aufs Blut reizt? Geh mir mit deinem aufdringlichen Wesen aus dem Blickfeld, ehe ich dir den Bauch aufschlitze und mit deinem Speck die Eisenbeschläge des Schwarzen Drachen poliere.«
»Gnädige Frau«, sagte Arithon mit leisem Lachen. »Haltet Euch zurück, ich bitte Euch. Der Bursche ist auf Eurer Seite.«
Auf verlorenem Posten, doch zu stolz, erstaunt zu schauen, bedachte sie die beiden mit zornigem Blick. Schließlich zuckte sie die Schultern, wollte es ihr doch nicht gelingen, ihren Zorn in der Nähe von Arithons ansteckend guter Stimmung weiter zu nähren.
»Bei den Verdammten Sithaers! Ein Komplott?« Sie lockerte ihren Griff und verstaute die Klinge mit einem kreischenden Geräusch gewetzten Stahles wieder in der Scheide. »Wenn Ihr meine Aufmerksamkeit erringen
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