Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
grinsend seine Zahnlücken, als das Wesen ein Bündel aus der Tiefe der Nische hervorzog und sagte: »Meister, hier ist Euer Instrument.«
Arithon erhob sich. Er nahm dem Kind die sicher verpackte Lyranthe ab, und seine Haltung gegenüber dem Wirt bekam einen unheilvollen Zug. »Ihr werdet Euer Geld bekommen, darauf gab ich mein Wort. Wie kommt Ihr auf den Gedanken, Ihr müßtet Gewalt anwenden, damit ich meine Schuld begleiche?«
»Bei allen Dämonen! Ihr seid ein Barde?« Der Wirt nagte an seiner Lippe, nicht gerade entschuldigend, doch verunsichert. Der letzte Musiker, der sein Gesicht im Kielwasser gezeigt hatte, hatte seine Lyranthe nur mehr in Splittern zurückerhalten. Begleitet von Dhirkens zynischem Blick und der stumpfsinnigen Neugier seiner Schläger, zögerte er gerade lange genug, um den Glanz des edlen Metalls und der Juwelen zu schauen, als Arithon das unbezahlbare Instrument enthüllte, das ihm sein verstorbener Meister vermacht hatte.
Dann fiel auch das letzte verhüllende Ledertuch herab. Arithon stützte sein Bein auf dem Tisch auf und setzte einen Klanglauf gleich dem Flug weißer Funken frei, ehe er sorgsam die Wirbel aus Perlmutt und Ebenholz drehte, die die vierzehn silbergewirkten Saiten stimmten. Klar drangen die Klänge durch das Getöse im Gastraum der Kielwassertaverne. Als er fertig war, war jede Konversation verstummt. Köpfe wandten sich um, und bedeutungsschwere Stille erfüllte die Luft bis in den finstersten Winkel des Raumes.
Für einen winzigen Augenblick verharrte der Musiker, den Kopf auf die altbekannte Weise auf die Seite gelegt, die Finger in der Luft über der Griffleiste, während er sich einen Überblick über die Stimmung der Menschenmenge verschaffte. Dies war kein einfaches Publikum, das ihn gern willkommen heißen würde. Ihre Geschmäcker waren so verschieden wie ihre üblen Gewohnheiten und Geschäfte. Da waren die teerverschmutzten Matrosen, die Dirnen wie grellbunte Vögel auf dem Schoß wiegten; die Sattler aus den Werften, ohne Hemd, mit schweißglänzenden Oberarmen; die von Messerwunden gezeichneten Söldner, die ihre Köpfe über einem abgenutzten Würfelpaar zusammensteckten.
Noch bevor der letzte Klang seiner Eröffnung verhallt war, spulte Arithon eine Tanzweise ab. Er spielte keß und schnell, in einem herzzerreißenden, prachtvollen Tribut an Hallirons höchstes Geschick. Und der Pöbel im Kielwasser antwortete mit einer donnernden Anerkennung, die selbst das Geschirr im Regal erzittern ließ.
Der Wirt zog sich vollends verblüfft zurück. Nachdem sie sich von ihrer ersten Überraschung erholt hatte, legte Dhirken die Ellbogen in den verschütteten Schnaps zwischen den Münzen, stützte das Kinn auf die Hände und lauschte.
Immer schneller wurde der Rhythmus, lebendig wie das Krachen sommerlicher Donnerschläge. Einige Dirnen sprangen auf, um zu tanzen, und bald erbebten die Bodenbretter. Nur Minuten später erschütterte die Ausgelassenheit der Gäste die ganze Taverne, während immer mehr Menschen von der Straße hereindrängten. Arithon indes beugte das Haupt über sein Instrument. Schwarzes Haar verbarg den Rest seines Gesichtes einschließlich seines Mienenspiels. Nicht einmal Dakar, der ihm am nächsten saß, sah das Aufblitzen der Tränen, die seine fliegenden Finger benetzten.
Halliron, der Meisterbarde, war tot; gegangen für immer. Und voller Ungestüm versetzte der Mann, der sich würdig erwiesen hatte, seine Nachfolge anzutreten, die übelste Spelunke in Seehafen mit seinem leidenschaftlichen Spiel in einen Sinnestaumel, der Raufbolde verführte, kreischend und mit den Füßen stampfend in die Hände zu klatschen. Als müßte er nur den Menschen Freude bringen, um sich selbst zu befreien und die Lücke in seinem Herzen zu schließen.
Dakar erwachte aus tiefem Schlaf, als sich spitze Finger schmerzhaft in seine Rippen bohrten.
Stöhnend rührte er sich und rieb sich mit den Fäusten die schlafverkrusteten Augen. Die unglaubliche Überraschung, nicht an einem Kater zu leiden, verblüffte ihn so sehr, daß er sich vollends aufrichtete. In der Finsternis, die nur durch den sanftroten Schein der letzten, verlöschenden Öllampe erhellt wurde, blinzelte er, um seine Umgebung zu taxieren.
Vor einem Hintergrund ausgestreckter Leiber erkannte er die schlanke Gestalt Arithons, der ungeduldig wartend mit der eingepackten Lyranthe über der Schulter vor ihm stand.
»Die Ebbe setzt bald ein«, sagte der Herr der Schatten leise, doch
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