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Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Stimme zu erheben. Getrieben von purem Zorn grub sie eine Erinnerung an einen klebrigen Tisch in der Kielwassertaverne aus und an die Schmeicheleien eines Barden mit silberner Zunge und grünen Augen. Sein Krug hochprozentigen Rums hatte ihre Sinne nicht verwirrt. Sie erinnerte sich an jeden verschlungenen Faden ihres Gespräches und auch an einen Vorschlag, den jeder Kapitän als Dreistigkeit empfinden mußte, war er wenigstens halbwegs bei Verstand; doch das hatte offenbar diesen heimtückischen Hund nicht davon abgehalten, sich einzubilden, er könnte ihr mit seinen Betrügereien seinen Willen aufzwingen.
    Mit der Balance eines Tänzers hielt sie sich aufrecht, die Hände gegen einen Balken gestützt, als die Brigg sich über eine Woge neigte. Blind griff sie dann nach dem Haken neben der nicht entzündeten Lampe, und die messingbeschlagene Scheide ihres Entermessers schlug gegen ihre zugreifende Hand.
    Erleichtert, ihre Waffe am angestammten Ort vorzufinden, und somit in froher Hoffnung, daß der Schiffsjunge seine Pflichten noch immer ernst nahm, beruhigte sich Dhirken gerade weit genug, ihren schlimmsten Zorn im Zaum zu halten. »Bursche?« rief sie leise in der Finsternis.
    Jeder Knabe, der auf dem Drachen anheuerte, antwortete stets auf die gleiche Anrede; Namen wurden ihnen erst zugestanden, wenn sie die Geschicklichkeit seetüchtiger Matrosen erworben hatten und erwachsen genug waren, daß keiner ihrer Instinkte sie mehr dazu trieb, ihnen über das Haar streichen zu wollen, als wären die Knaben ihre kleinen Brüder.
    Dieser spezielle Kerl war ein ausgemachter Faulpelz. »Bursche!« wiederholte Dhirken, und ihre Stimme klang durchdringend. »Steh auf! Sofort! Ich brauche dich!« Mit der Spitze der Messerscheide stach sie in die zerknitterte, aber leere Hängematte.
    Ein Scharren im Durchgang ließ sie zusammenzucken und aufgeschreckt um die eigene Achse wirbeln.
    »Käpt’n?« Eine Knabenstimme, begleitet von einer raschelnden Bewegung, und schon erschien ein schmales Gesicht in der Dunkelheit. »Wartet Ihr auf das Waschwasser?«
    »Nein.« Dhirken zog die Klinge aus der Scheide und winkte den Knaben näher heran. »Nicht jetzt.« Während der Drache über eine Woge rollte und in das Wellental eintauchte, lauschte sie auf das Ächzen ihres schwerarbeitenden Schiffes. Nichts schien zu fehlen, nichts war ungewohnt; nicht der schwere Geruch von Hanftauen und Teer, noch die Ausdünstungen der von der See aufgequollenen Planken, in die sich der beißende Gestank des Kombüsenfeuers mischte. Durch das Fenster, das nach Achtern zeigte, sah sie die Gischt auf dem Kielwasser, über die sich Funken legten, als ein Mannschaftsmitglied den Docht der Decklaterne stutzte. Obgleich kein Nebel und kein Dunst die Finsternis begleitete, konnte sie doch keine Reflexionen von Mond oder Sternen auf der Wasseroberfläche entdecken. Auch sah sie kein fernes Funkeln der Signalfeuer, die an der Küste brannten, um die Handelsschiffe auf ihren nächtlichen Fahrten zu leiten. Von dem unwillkürlichen Drang ergriffen, ihre Klinge mit Gewalt aus der Scheide zu reißen, lehnte sie den Kopf an das Schott.
    Rauh wie rostiges Eisen fragte sie: »Bursche, wer war bei mir, als ich letzte Nacht an Bord zurückgebracht wurde?«
    »Ein feister Mann. Und der andere Kapitän, der jetzt das Ruder hält. Der, der gesagt hat, der Schwarze Drache würde das schnellste, reichste Schiff werden, das je durch die Gewässer von Cildein gesegelt ist.« Mit der unverhohlenen Neugier eines Kindes fügte er hinzu: »Sie sagten, Ihr wäret erfreut darüber. Wieviel Rum habt Ihr denn getrunken?«
    Dhirken schlug eine Hand auf ihren Leib, um einen Fluch zurückzuhalten, der dem Knurren einer Bulldogge nahegekommen wäre. »Nicht genug, um die elende Haut dieser Kerle zu retten. Der feiste Mann, wo ist der jetzt?«
    Bursche kicherte. »Hängt über der Leereling. Der kotzt schon, seit wir den Anker gelichtet haben.«
    »Na schön. So lauten meine Anordnungen.« Dhirken sprach schnell und leise, ehe sie Bursche einen aufmunternden Stoß versetzte.
    Die Türangeln ihres Schotts waren hervorragend gepflegt; der Knabe, umfassend geübt, bewegte sich nicht minder geräuschlos. In dem Moment, in dem er zur Tür hinaushuschte, löste Dhirken die Überreste ihres Zopfes, kämmte das lange, dunkle Haar und frisierte es so, daß es ihr bei dem bevorstehenden Drama nicht im Wege sein konnte.
    Kein Matrose blieb lange auf einem Schmugglerschiff, wenn er nicht imstande war,

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