Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
erleben mußte. »Ich verstehe, daß Euer Statthalter Grund hat, mir zu zürnen, doch das schmutzige Ende dieser Angelegenheit sollte offensichtlich sein.«
Als der Ausdruck auf des Hauptmanns rasierten Zügen weiterhin nichtssagend blieb, ergriff der Prinz seinen Kelch, trank einen Schluck, als wollte er den scharfen Geschmack innerer Bitterkeit lindern. »Die Clanangehörigen, die ich freigelassen habe, sind so schwach, daß sie beinahe an Ort und Stelle zusammengebrochen wären. Die meisten von ihnen sind verwundet. Wohin könnten sie schon fliehen? Sie haben keine Waffen. Als es dunkel wurde, hat eine Truppe besonnener Kopfjäger mit Spürhunden die Verfolgung aufgenommen. Die Männer sind so weit von ihren Schlupflöchern im Westwald entfernt, daß ich bezweifle, daß auch nur einer von ihnen überleben wird.«
»Dennoch könnten sie Glück haben«, unterbrach Lord Diegan. »Die Nomaden, die auf den Weiden von Pasyvier Pferde züchten, könnten ihnen Unterschlupf gewähren.«
»Das ist ein langer Weg.« Erfüllt von plötzlicher, nervöser Ungeduld, schnipste Lysaer ein sterbendes Insekt von seinem Ärmel. »Sollte es irgendwelche Überlebenden geben, so werde ich trotzdem mit meiner Vorgehensweise recht behalten. Die Clans werden von dem Vorgefallenen hören, und unsere Truppen erhalten eine schmerzlose Lektion. Das hier ist Avenor, und hier hat jedermann Anspruch auf die königliche Rechtsprechung. Ein jeder, der den freien Handel beeinträchtigt oder die Straßen in räuberischer Absicht belagert, wird nach diesem Recht abgeurteilt werden.« Er stützte sich auf die Ellbogen, und der Lampenschein ließ seine Augen funkeln. »Diegan, dies ist nur ein Faden in einem großen Gewebe. Wenn meine Garnison aufmarschiert, den Herrn der Schatten zu bekämpfen, dann können sie nicht mehr verschiedenen Aufgaben gerecht werden. Wir werden dann die Last nicht mehr tragen können, die Handelsstraßen in wohlgesonnenem Gebiet bewachen zu müssen. Wie aber sollen wir die Wildnis je von dieser Clanpest befreien, wenn wir fortfahren, den alten Haß anzuheizen?«
Beeindruckt genug, seine Befangenheit abzulegen, lachte Karfaels Hauptmann heiser. »Eine weise Taktik, vorausgesetzt, die Barbaren lassen sich überzeugen. Aber wozu braucht Ihr die Bogenschützen? Ich habe Eure eigenen Leute beobachtet. Sie sind vortreffliche Schützen. Was also sollen wir hier tun?«
Lysaers formelle Haltung machte einem Grinsen jungenhafter Belustigung Raum. »Meine eigenen Truppen haben den Befehl verweigert.«
Gequält leerte Lord Diegan seinen Kelch, ehe er den Diener zurückwinkte, welcher ihm sogleich nachschenken wollte. »Nein. Trinken wird mir nicht helfen. Ich brauche einen klaren Kopf.« Doch ein verdächtiges Leuchten in seinem Blick offenbarte deutlich, daß er längst zu tief in sein Glas geschaut hatte. Zu dem Mann aus Karfael sagte er mit beißendem Sarkasmus: »Seine Hoheit kann kaum die Prügelstrafe über Männer verhängen, die lediglich ihre Treue …«
»Lord Diegan«, unterbrach Lysaer gestreng. »Nicht jetzt. Wir haben das bereits besprochen, und ich werde meine Meinung nicht ändern.«
Noch immer verunsichert ob des Feuereifers, mit dem sich die Lanzenreiter am Nachmittag gegen seine erfahrenen Soldaten gewandt hatten, hustete der Hauptmann, als der Wein ihm infolge seines unbeholfenen Schluckens in die falsche Kehle floß. »Worum geht es?«
»Um eine Angelegenheit, die wir uns für morgen früh aufsparen werden.« Immer noch wehmütig winkte Lysaer den Pagen, die am Rande des Raumes standen beladen mit Tabletts und dampfenden Tellern. »Hütet mich nun lieber vor dem Temperament meines Kochs. Wenn wir seine Soßen und Fleischgerichte nicht probieren, wird er uns draußen mit dem Messer erwarten, mit dem er üblicherweise die Ochsen zerlegt. So langsam seine Zunge auch sein mag, bewegt er sich doch so flink wie ein Wiesel. Wenn er den Eindruck bekommt, daß wir seine Mühen am Herde nicht zu schätzen wissen, wird er uns schneller aufspießen, als es eine ganze Horde Bogenschützen zu tun vermag.«
Die ganze Nacht träumte der kräftig gebaute Hauptmann aus Karfael von der tödlichen Präzision, die Infanterie und Lanzenreiter Avenors so beeindruckend zur Schau gestellt hatten. Bei Sonnenaufgang erwachte er schweißgebadet, mit zerdrückten Laken, und erneut fragte er sich, wozu Lysaer s’Ilessid eine Truppe glanzloser Bogenschützen angefordert und landeinwärts in Marsch gesetzt hatte.
Noch hatte die
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