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Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Wege zu gehen oder sich mir anzuschließen, ganz wie es ihnen beliebt.«
    »Das ist eine Beleidigung!« Der Dolch in des Gardehauptmanns Hand zeigte sich nicht länger friedfertig, als dieser das nächste Tau mit einem gewaltigen Ruck durchtrennte. »Diese Männer sind von meinem Lord, dem Statthalter, verurteilt worden und unterstehen seinem Willen.«
    »Nicht, solange sie sich in Avenor aufhalten«, entgegnete Lysaer, während er einen Schritt zurücktrat, um einem Sturz vorzubeugen, ohne daß seine herrische Haltung dadurch beeinträchtigt wurde. »Gebt Euch geschlagen. Das Schicksal dieser Männer liegt nun in meiner Hand, nicht in der Euren. Anderenfalls bleibt Euch nur, an meiner Stelle die Herrschaft und das Gelöbnis, den Herrn der Schatten zu bekämpfen, zu beanspruchen und mir Euer verdammtes Messer ins Herz zu rammen.« Solch eine Erklärung mochte ein Wahnsinniger abgeben, doch die blauen Augen leuchteten mit stählerner Entschlossenheit im sommerlichen Sonnenschein.
    Der Gardehauptmann zögerte, das Kinn vorgereckt und jede Sehne gespannt, angestachelt zu einer Tat, die er doch nicht mit Anstand zu Ende bringen konnte. Barbarenaugen beobachteten ihn, spotteten trotz ihres Elends. Dann brach die wenig freundliche Präsenz hervor, die im Hintergrund gelauert hatte. Das Spalier seiner Gardesoldaten öffnete sich, unzweifelhaft bereit, sich zu ergeben. Rund um seine Männer und den unglückseligen Sklavenzug funkelten die Lanzen der Soldaten, die zuvor noch auf dem Exerzierplatz Kampfesübungen abgehalten hatten. Stahlhart, nur bezwungen durch ihre eigene, bewundernswerte Disziplin, hatten die Männer sie unter der Führung ihres Lordkommandanten umringt, der mit seinem dunklen Haar und dem Juwelenschmuck prachtvoll anzusehen war.
    »Ihr werdet tun, was seine Hoheit Euch geheißen hat«, verlangte Lord Diegan, der auf seinem gewaltigen, kastanienbraunen Schlachtroß thronte. Seine braunen Augen jenseits der blendenden Reflexionen seiner Klinge im Sonnenlicht, fixierten den Gesandten Karfaels unverwandt und feindselig. »Wenn Ihr beabsichtigt, diese Angelegenheit noch weiter zu diskutieren, so werdet Ihr Gesprächspartner bekommen, sobald der Prinz Gelegenheit gehabt hat, sich zurückzuziehen und frisch zu machen.«
     
    Als ein kompetenter, doch unkultivierter Veteran, der sich durch die einzelnen Dienstgrade zu seinem Posten heraufgedient hatte, zog es der Abgesandte des Statthalters entschieden vor, Auseinandersetzungen im Schweiße seines Angesichts mit Waffen auszutragen. Nun überdies dem Luxus eines entspannenden Bades und zweier Diener ausgesetzt, die, beständig über seine alten Verwundungen schwafelnd, ihn umsorgten und in Samt und Spitze kleideten, fiel es ihm schwer, seine Verlegenheit abzuschütteln. Als ihm der Auftrag zu dieser Mission übertragen worden war, hatte er sich wenige Gedanken über das Privileg gemacht, die Gastfreundschaft eines Prinzen genießen zu dürfen.
    In dem geborgten Hofstaat schwitzend und doch nackt und verletzbar ohne seine Waffen, zwang er sich, das Treffen mit dem Mann von heißem königlichen Geblüt hinter sich zu bringen. Sein Fehler beruhte auf einem schlichten Versehen: Ein Prinz, der halbbekleidet und schmutzig herumlief, sollte sich nicht beschweren, wenn Fremde aus der Stadt, die seinem Stand im besten Falle mit Mißtrauen begegneten, ihn nicht erkannten.
    Wenn die Juwelen, die Kerzen und all die andere Pracht des Hofes auch seine dürftigen Rechenfähigkeiten übersteigen und sich einer Zählung somit verweigern dürften, beschloß er, die erfreulichsten Erinnerungen an diesen Ort zur Erbauung seiner Gemahlin und seiner Kinder im Gedächtnis zu behalten.
    Doch Avenors großer Saal bestand derzeit noch aus Fundamenten unter einem Dach aus Sternen und sommerlich schwüler Luft. Hin und her gerissen zwischen Enttäuschung und Nervosität, ließ sich der Gesandte Karfaels zu der schindelgedeckten Baracke führen, die von Zeit zu Zeit abwechselnd den taktischen Besprechungen der höheren Offiziere und dem gescheiten alten Seneschall Avenors zur Verfügung stand, welcher sich um die Verwaltung des weitverteilten städtischen Vermögens kümmerte. Das Innere der mit rauhen Planken ausgelegten Hütte war nur spärlich möbliert. Dort gab es keine Podeste, ausgelegt mit edlen Teppichen, und der damastgedeckte Tisch in der Mitte des Raumes, auf dem glitzernde Kristallwaren ruhten, wirkte wie ein Juwel, das, seiner Fassung entrissen, in der armseligen Hütte eines

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