Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
daß er, dank Asandirs Bevormundung, gelernt hatte, nicht nur sein Defizit auszugleichen, sondern überdies die Qualen eines Katers zu mildern. Um aber körperliche Mängel ausgleichen zu können, mußte er nüchtern und bei klarem Verstand sein, und ihm erschien weder das eine noch das andere Stadium sonderlich erstrebenswert. Also kramte Dakar in einer ganzen Reihe geräumiger Taschen, auf der Suche nach einer Münze, die ihm ein weiteres Bier bezahlen würde.
Auf der anderen Seite des gutgefüllten Gastraumes schrie jemand. Quer durch beide Ohren von dem Geräusch durchbohrt, richtete sich Dakar ruckartig kerzengerade auf, wobei er sich die Knie an der Tischplatte anschlug. Mit ebenso trübem wie finsterem Blick fixierte er einen Eseltreiber, der noch immer laut brüllte und sich offensichtlich über seinen Sieg beim Pfeilewerfen freute. Der Gerber mit dem krausen Schnurrbart erhob sich, als sein Gegenspieler die Wetteinsätze einsammelte, während ein beinahe zahnloses Großmaul von der Seite rief: »Wo bleibt deine Courage, Mann? Versuch es noch einmal!«
Dakar zuckte zusammen und wühlte vorsichtig in einer weiteren Tasche. Als das Barmädchen vorbeiging, um dem Gewinner ein Bier zu bringen, verzerrte er die Lippen zu einem hoffnungsvollen Lächeln.
Blond, unzugänglich und mit einem schnellen Mundwerk ausgestattet, bemerkte sie sogleich die Suche in seinen Kleidern. »Deine Taschen sind leer, ebenso wie deine Brieftasche. Und, nein, du wurdest nicht beraubt, während du geschlafen hast.«
Der Wahnsinnige Prophet nahm ihre Worte ohne eine Spur des Begreifens zur Kenntnis, wobei er im stillen jammerte, daß sie sich zu schnell bewegte, um sie wenigstens kneifen zu können. Mit aufmerksamen Blick folgte er dem Bierkrug auf seinem Weg zum Sieger. Bald schon übertönten die Einschläge der Pfeile eines neuen Spiels die Klagen des Verlierers.
Etwa zu diesem Zeitpunkt dämmerte es ihm mit grausiger Gewißheit, daß seine Taschen nichts außer Fusseln enthielten. Mittellos und kurz vor Winteranfang fand er sich in einem Schäferdorf irgendwo im Skyshielgebirge wieder. Dakars Aufschrei konnte sich durchaus mit dem des Eseltreibers messen, und er reichte vollkommen, das Barmädchen zu erzürnen, welches sogleich herbeieilte und ihr Tablett mit leeren Krügen gegen Dakars Ellbogen stieß.
Während Dakar noch zurückzuckte, legte sie schon los. »Ich sagte bereits, daß niemand dich ausgeraubt hat. Was du an Kupferstücken bei dir hattest, hat kaum gereicht, das Bier der letzten Nacht zu bezahlen.« Für Dakars leicht vernebelten Blick wirkte sie in ihrem Zorn nicht minder attraktiv. »Wie ich sehe, erinnerst du dich nicht, was? Das ist schon merkwürdig, immerhin hast du ganze fünfzehn Krüge geleert.«
Vermutlich sprach sie die Wahrheit, wie Dakar benebelt erkennen mußte. Der Flüssigkeitsstand seiner Blase brachte ihn um. Er stützte die wulstigen Hände auf den Tisch und bereitete sich darauf vor, aufzuspringen und sich eilends in den Waschraum zu verziehen.
Das Barmädchen hatte sich jedoch gerade erst warmgeschimpft und verweigerte ihm unfreundlicherweise den Durchgang. »Hätte der Wirt nicht wegen des Wetters Mitleid mit dir gehabt, dann hätten wir dich gleich rausgeschmissen.«
Da Dakar sich nun mit der Frage konfrontiert sah, wie der Tag wohl außerhalb der Taverne aussehen mochte, ließ er seine Blicke durch den Gastraum schweifen, um sich einen Überblick über seine Lage zu verschaffen.
Die Taverne war typisch für das Hinterland: zwei Etagen, Deckenbalken, die den Boden zum zweiten Stockwerk stützten und so niedrig angebracht waren, daß ein großgewachsener Mann sich bücken mußte. Die einzige Lampe sprühte Funken und zischte, wobei der stinkende, flüssige Talg, mit dem sie gefüllt war, stärker qualmte als das Herdfeuer. Durch die gespenstisch orangegetönte Düsternis des Raumes flogen Wurfpfeile zwischen Stützbalken hindurch auf eine Zielscheibe aus Stroh. Der Eseltreiber schimpfte über einen fehlgegangenen Wurf, was ihm das Gelächter des Gerbers einbrachte. In einer Ecke lallte ein mürrischer alter Böttcher Knittelverse, zwischendurch kicherte er plötzlich, wobei er sich wie ein nach Futter quiekendes Ferkel anhörte. Dakar, noch immer randvoll, fühlte sich unbehaglich und verdrehte leidend die Augen. Als das Weibsbild sich noch immer nicht von der Stelle rührte, erlag er der Versuchung und strich mit der Hand über ihre wohlgefüllte Bluse.
Ganz gleich, wie unsicher er auch
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