Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
Schande von einem Pferd zu tun?«
»Miserabel? Schande?« Dakar betrachtete eingehend seinen stämmigen Widersacher, der, bereit für ein Gemetzel, die Fäuste geballt hatte. Wie wollene Quasten lugten seine Haare unter der Mütze aus geöltem Filz hervor und ließen ihn aussehen, wie einen arg mitgenommenen Federball. »Wißt Ihr, Ihr seid selbst auch nicht gerade hübsch.« Dakar nutzte den halben Atemzug sprachloser Verblüffung des Mannes, sich an ihm vorbeizuschieben, schnappte sich die herabhängenden Zügel und zerrte Feenhuf gewaltsam rückwärts aus dem Durcheinander zwischen Deichsel und zerfetzten Geschirren heraus.
Halliron und Medlir sahen aus sicherer Entfernung von ihrem Ponywagen aus interessiert zu, wie Dakar, das Pferd im Schlepptau, auf den Fuhrmann zuging. Er baute sich vor dem wütenden Mann auf, ohne die schweren Schritte zu beachten, mit denen der diensthabende Torwächter die Treppe hinabpolterte, gerüstet, einer weiteren und heftigeren Auseinandersetzung zuvorzukommen.
»Ich schlage vor, Ihr vergebt dem alten Jungen einfach.« Als der Gaul den Fuhrmann freundlich mit dem Kopf an die Schulter stupste und ihn so einen Schritt weit nach hinten beförderte, setzte Dakar hinzu: »Was könntet Ihr auch anderes tun? Er mag Euch.«
Der Wagenführer lief purpurrot an und holte zum Schlag aus, doch das talgige, runde Gesicht, das er sich als Ziel ausgesucht hatte, verschwand, als Dakar sich duckte und unter dem Sattelgurt Zuflucht suchte. Eine geballte Faust schlug gegen die runden, vortretenden Rippen des Pferdes, das beidseitig mit einem explosiven Grunzen und Furzen reagierte.
»Oje«, rief Dakar, bemüht, nicht zu kichern. »Die Nase Eurer Frau muß wie Pudding aussehen, wenn das Eure Reaktion auf ihre Küsse ist.«
In einem Anfall tödlichen Zorns tauchte der Fuhrmann unter den Hals des Wallachs, während das Tier, die Ohren flach angelegt, die Zähne auseinanderklappte und zuschnappte.
Die Kiefer schlossen sich über schmutziger Wolle, und eine kritische Naht an der Hose des Fuhrmannes ergab sich der Gewalt. Der Wahnsinnige Prophet wich der bebenden Kruppe des Braunen aus, ehe er vergnügt ansetzte, sein Roß zu tadeln. »Laß ihn in Ruhe, Feenhuf. Deine Liebesbemühungen sind ein klein wenig übertrieben. Du weißt doch, daß der Bursche, den du gerade entkleidest, dir so wohlgesonnen ist wie die Schlange dem Falken, der sie im Schnabel trägt.«
Die herbeigeeilten Wachen, die sich nun ebenfalls unter dem Tor drängelten, brachen in Gelächter aus.
Feenhuf hingegen wandte sich um und schlug genau in dem Moment mit seinem knotigen Schwanz zu, in dem der Fuhrmann losstürmen wollte. Halb betäubt von dem Schlag ins Gesicht, heulte der Mann Schmähungen mit Fistelstimme und stürzte voran, fest entschlossen, ein Massaker anzurichten, als das Pferd das Gleichgewicht verlor. Sein buckliger Rücken krümmte sich. Gewaltige Hufe rangen um sich schlagend nach einem festen Halt, als sein Hinterteil vom Boden abhob. Ein Hinterbein schlug in Ochsenmanier aus und zertrümmerte das vordere Rad des Fuhrwerks. Das Singen splitternder Speichen drang durch das Tor, als die Radnabe krachend auf die Pflastersteine donnerte.
Tänzelnd setzte sich das Gespann in Bewegung, nervös darauf bedacht, Abstand zu gewinnen. Mit sich zerrten sie das verkrüppelte Gefährt, das über eine Distanz von sechs Metern mit ohrenbetäubendem Lärm das Pflaster aufriß. Ein geistesgegenwärtiger Zuschauer packte sich eine Beißstange und zwang die Tiere mit Gewalt zum Stehenbleiben, doch niemand in dem fortschreitenden Tumult am Tor nahm davon Notiz.
Der Fuhrmann erging sich ein letztes Mal in seinen eintönigen Beschimpfungen, während Feenhuf endgültig den Halt verlor und mit einem pfeifenden Laut der Verwirrung mit gespreizten Beinen auf dem Bauch landete.
Von seiner eigenen Heiterkeit niedergerissen, krümmte sich Dakar nicht weit entfernt. Die haltlos tränenden Augen fest geschlossen, bemerkte er nicht einmal, wie der Wachoffizier zu kichern aufhörte. Jaelots Wachsoldaten gaben sich ganz plötzlich ausgesprochen diensteifrig, als ein schwarzlackierter Vierspänner die Hauptstraße hinunterdonnerte. Goldgezierte Türen mit dem Löwenwappen glänzten im Licht der Fackeln, als das Vehikel seine Fahrt verlangsamte und sich der Verstopfung näherte, die das Tor unpassierbar machte.
Steif wie ein Holzpfosten salutierte der Hauptmann der Torwache, als ein junger Stallbursche in einer samtenen Livree vorsprang, um die
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