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Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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ihnen durch einen Boten gesandt hatte, überquerte der königliche Troß die Grenze in das Reich Tysan, einstiger Sitz der Hohekönige zu s’Ilessid.
    Sie schlugen ihr Lager auf Weiden auf, nächtigten auf Heuböden, und kauften Holz, Milch und das erste Frühjahresgemüse von rotbackigen Landfrauen. Diegan beobachtete mit wachsendem Unbehagen, daß das königliche Gefolge sich geradezu aufdringlich den Blicken jedes vorbeiziehenden Schäfers aussetzte. Auf der auffälligen, mit Goldtroddeln besetzten, strahlendblauen Standarte prangte ein Wappen, wie man es seit fünf Jahrhunderten nicht mehr gesehen hatte: ein fahlgüldener, königlicher, zwölfzackiger Stern. Ganze Horden neugieriger Gaffer versammelten sich, ihnen nachzustarren. Welche Haltung Stadtregierungen und das übermütige Pack der Handelsgilden auch einnehmen mochten, die Kleinbauern gaben sich still vertrauensvoll, hatten sie sich erst einmal vergewissert, daß des Prinzen Offiziere für ihr Futter zahlen würden. Träumend verfolgten Knaben die Passage der marschierenden Männer mit den Helmen, den funkelnden Rüstungen und den glänzenden, langen Klingen ihrer Schwerter, und manche von ihnen kamen in löchrigen Stiefeln und schmutzigen Tuniken daher, umgeben vom Gestank des Kuhdungs, und bettelten darum, aufgenommen und ausgebildet zu werden.
    Lysaer s’Ilessid schickte keinen von ihnen wieder fort.
    »Warum sollen sie denn auf den Höfen bleiben, wo ihre Familien sie kaum ernähren können?« Blind gegenüber dem Schmutz, saß er neben dem Kaminfeuer in der Kate eines Kleinbauern nahe Dyshent und knackte Nüsse für die gnädige Frau Talith. Im rußigen Schatten der Raumesecken zirpten Grillen ihr Lied, während Kinder mit großen Augen durch die Ritzen in den Wänden des Stalls hinausstarrten, in den die Bäuerin sie zu ihrem eigenen Schutz eingesperrt hatte. Draußen, im Schein etlicher Lagerfeuer, hatten es sich die Streitkräfte in der milden Nachtluft bequem gemacht, die dienstfreien Wachen schlossen lachend allerlei Wetten ab, und die neuen Rekruten dieses Tages hoben hinter dem dornbewehrten Zaun eines Schafpferches Gruben für die Latrinen aus. Während er nebenbei den Rufen der Offiziere lauschte, die durch das offene Fenster hereinhallten, fügte Lysaer hinzu: »Später werden wir die Fertigkeiten dieser Knaben noch dringend benötigen. Jeder, der nicht für die Streitkräfte geeignet ist, soll nach dem Wiederaufbau Avenors ein Stück Land erhalten, das er selbst bewirtschaften kann.«
    »Falls wir überhaupt dort ankommen«, grummelte Lord Diegan giftig. Düster, während seine Schwester sich kampfbereit wie eine Löwin gab, rieb er sich die Augen, die wund vom Staub der unsäglichen königlichen Kolonne aus Wagen, leichten Reittieren und Packeseln waren. Seit der Vertreibung der Nebel Desh-Thieres hörte es früher auf zu regnen. Blutsaugende Insekten bevölkerten nun die Luft, die so schwül wie im Sommer war. »Wir werden die Teppiche zerschneiden müssen, um Zelte zu bauen, wenn wir in dieser Geschwindigkeit Weiterreisen. Der nächste Winter wird uns überraschen, noch ehe wir ein Dach errichtet haben, das unser Waffenlager vor Rost schützen kann.«
    »Dann bleib doch während der kalten Jahreszeit gemeinsam mit Talith in Erdane«, sagte Lysaer mit einem milde provozierenden Lächeln. Er trug weder Wams noch Hemd. Als er der Bäuerin angeboten hatte, die Milchkübel aus dem Melkhaus herüberzuschleppen, hatte sie so lange genörgelt, bis er sich seiner feinen Seide entledigt hatte. Später war niemandem mehr aufgefallen, daß er dank seines Mangels an Geschicklichkeit über und über mit Milch bespritzt war. Nun, unverschämt prächtig anzuschauen in seiner blauen, reichbestickten Hose aus Wildleder, beugte er sich vor, um eine weitere Nuß aus der Papiertüte neben seinen Füßen hervorzuholen. Auf der anderen Seite des Raumes schlug die Tochter der Bäuerin die Butter. Unverwandt starrte sie den schönen Prinzen an. Nur, wenn sie die dunkelhaarige Dame, die sich wie eine Katze neben seinem Knie aufgerollt hatte, mit neiderfülltem Blick durchbohrte, ließ sie ihn kurzfristig aus den Augen.
    »Oder du gehst zurück zu deinem Lordgouverneur in Etarra«, nahm Lysaer den Faden wieder auf, wobei ihm die gespannte Haltung seines Heerführers durchaus bewußt war, während er eine weitere Nuß aufbrach und von ihrer Schale befreite. »Die Etarranische Division wird, wie ich es versprochen habe, den Rückweg antreten, sobald wir die

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