Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
Roß zuckte zurück, als ihre Hand heftig an den Zügeln zerrte. Ihre bernsteinfarbenen Falkenaugen mit dem schwarzen Zentrum fixierten den Prinzen ununterbrochen. Ganz anders als ihr junger Enkelsohn, dessen Gefühle deutlich erkennbar waren, und den Leibwachen ihres eigenen Prinzen zum Trotz, deren gespannte Bogen bereit waren, sie niederzuschießen, zeigte sie keinerlei Nerven. »Hier wurde kein Treueeid geleistet, noch hat die Bruderschaft der Sieben Eure Anwartschaft auf den Thron rechtmäßig bestätigt.« Die feingemeißelten Linien ihres Gesichtes zeigten sich noch immer in unverminderter Härte. »Wie könnt Ihr es wagen, auch nur daran zu denken, Euch meine Clans als Streitkräfte aneignen zu wollen? Wir haben keine Veranlassung, Eure Kriege zu unterstützen.«
»Habt Ihr die wirklich nicht?« Sinn und Zweck ihrer Kleidung, die die Farben der Herrschaft über das schlichte Schwarz des Caithdeins erhob, war Lysaers Aufmerksamkeit nicht entgangen. Ein wenig geschwächt von seinem eigenen Bedauern, legte er die Hände auf den Sattelknauf und seufzte. »Ich kann nur beten, daß Ihr Euch nicht habt verleiten lassen, Eure Loyalität anderweitig zu geloben. Das würde mich wirklich sehr bekümmern. Die Clans des Nordens sind beinahe vollständig vernichtet worden, weil sie den Herrn der Schatten begünstigt haben.«
»Sie haben ihren rechtmäßigen Prinzen verteidigt«, korrigierte ihn Maenalle.
»Und ihre Kinder ausgeschickt, verwundete Männer rücklings zu erdolchen«, konterte Lysaer mit der bitteren Wahrheit. »Zauberei mißbraucht und Fallen aufgestellt, in denen an einem einzigen Tag tausend Menschen niedergemetzelt wurden. Der Thronerbe zu Rathain ist ein verlogener Betrüger ohne jede Moral, ein Zauberer, der unschuldige Menschen für seine Zwecke opfert.«
»Die Bruderschaft hat anderes berichtet.« Ungerührt wie Waffenstahl ließ sich Maenalle nicht einmal dazu hinreißen, ihren Enkel anzusehen, der bleich und wie erstarrt neben ihr wartete. »Ebenso wie Jieret s’Valerient, Steivens Sohn und Erbe, dessen Eltern und Schwestern alle der Invasion Etarras zum Opfer fielen.«
»Wer waren diese Menschen denn, wenn nicht irregeführte Verbündete?« Lysaer wandte seine Aufmerksamkeit dem jungen Burschen zu. »Wenn Ihr Zweifel an mir hegt, gnädige Frau, so seht Euch Euren eigenen Enkel an, der genau im richtigen Alter ist, sich beeinflussen zu lassen.«
Der junge Mann reckte das Kinn vor. Schweigend, vor Enttäuschung über diesen Verrat den Tränen nahe, berührte er sein Pferd mit den Absätzen seiner Stiefel. Gleich einem Aufschrei erklang das Donnern der Hufe, als das Roß folgsam kehrtmachte und dem Mann, der einst versprochen hatte, ein gerechter Herrscher zu sein, den Rücken seines Reiters präsentierte.
»Oh, Maien ist durchaus beeinflußt worden«, sagte Maenalle nun nicht minder angespannt als der Enkel an ihrer Seite, der zitternd und mit hochrotem Gesicht neben ihr aushielt. »Aber nicht von Arithon von Rathain. Die Loyalität des Knaben hat allein Euch gehört, ebenso wie seine Liebe, bis Desh-Thieres Fluch den Frieden vernichtet hat. Laßt uns hier nicht die Fakten durcheinanderbringen oder die Umstände bestreiten, die zu dieser Fehde geführt haben. Euch verlangt es danach, einen Mann zu töten, der Euer Halbbruder ist und der während der vergangenen sechs Jahre keinen Versuch gemacht hat, ein Heer gegen Euch aufzustellen. Meine Clans können Eure Städte nicht im Kampf gegen ihn unterstützen, noch werden wir Euren nicht rechtmäßigen Anspruch auf Avenor anerkennen. Wir werden unserer Untertanenpflicht getreu warten, bis einer Eurer Erben von der Bruderschaft als Thronfolger bestätigt wird.«
Eine sanfte Brise ließ das Siegel auf Maenalles Umhang erbeben. Angefüllt mit dem frischen Geruch von Eis und immergrünem Gehölz, schien die Luft beinahe zu scharf, sie zu atmen. Nur durch die Kälte und höfische Etikette voneinander getrennt, betrachteten Lysaer und die Dienerin Tysans einander in berechnendem Schweigen.
»Dann sind wir also Feinde?« fragte der Prinz schließlich. »Ich bedaure das, denn ich hätte mir ein anderes Ergebnis gewünscht. Um Eurer Clans willen, laßt mich deutlich werden: Es steht Euch frei, Eure Meinung jederzeit zu ändern.« Mit königlichem Hochmut schloß er: »Wenn es soweit ist, dann sendet mir eine Nachricht, bis dahin aber möge Ath Euch gnädig sein.«
Maenalles verwegenes Lachen hallte hohl von den Felswänden wider. »Der Schöpfer muß
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