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Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Zerstörung barg, und Elaira wußte, daß die Oberste Zauberin handeln würde, ehe die drohende Gefahr sich manifestieren konnte. Ihr tiefverwurzeltes Vertrauen, daß der Herr der Schatten widerstandsfähig genug sein würde, die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren, erwies sich nun als grundlose Annahme, nichts weiter als eine Blüte, hervorgetrieben durch persönliche Gefühle, die der Weisheit ihrer Ältesten nie hatte standhalten können.
    »Dharkaron, Engel der Rache!« Elaira blinzelte, als ein Strom der Tränen in ihre Augen stieg. »Wie kann irgendein Mensch so einen steten Kampf über die natürliche Lebenszeit hinaus ertragen? Oder irre ich mich? Bilden der Bogen und das Siegel nicht das Muster verlängerter Lebenszeit?«
    »Deine Einsicht ist korrekt.« Morriel schnippte mit ihren dürren Fingern, ein Zeichen für Lirenda, sich nun zu entspannen. »Diese Entdeckung hat auch uns überrascht, obwohl wir damit hätten rechnen müssen. Beide, Lysaer und Arithon, sind durch das Weltentor der Roten Wüste in dieses Land gekommen. Wir hätten davon ausgehen müssen, daß sie von der Fontäne der Fünf Jahrhunderte getrunken haben und dem magischen Bann Daviens unterliegen.«
    »Darum habt Ihr mich herbefohlen«, sagte Elaira, erleichtert, das verlöschende, grausam verwickelte Muster in der Kohlenglut nicht mehr sehen zu müssen.
    Sie wischte sich mit dem Ärmel die Tränen von den Wangen und verpaßte so den Augenblick, als Lirenda von ihrem Zustand der Trance wieder zu voller Bewußtheit zurückkehrte. Ganz offen zeigte sich für einen kurzen Moment ein Ausdruck der Mißgunst in den Zügen der Ersten Zauberin, und ihr Blick, so bösartig wie konzentriertes Gift, bohrte sich in den Rücken der jüngeren Frau.
    Mit gesenkten Lidern beobachtete die Oberste Zauberin die gewählte Anwärterin auf ihre Nachfolge, die sich beeilte, ihren Fehler zu vertuschen. Unerbittlich wie harter Stahl hielt sie an ihrem Vorhaben fest. »Du wurdest gerufen zu dienen, Novizin Elaira. Da wir nun wissen, daß der Konflikt, dessen Saat der Nebelgeist gelegt hat, mehr als nur eine Generation betreffen wird, ist es unser Wunsch, deinem Kristall Erhöhung zuteil werden zu lassen. Niemand wird dich zu diesem Schritt zwingen, also überlege gut, bevor du eine Entscheidung triffst. All deine Standesangehörigen Schwestern zu überleben ist nicht in jedem Fall erstrebenswert.«
    Lirenda erging sich in vornehm schweigsamer Haltung. Reglos stand sie im Hintergrund, und nur ihre Hände, die sie unter ihren Ärmeln verborgen zu Fäusten geballt hatte, verrieten das Ausmaß ihres Zorns angesichts der Tatsache, daß ein Privileg, das nur den altgedienten, bewährten Ältesten vorbehalten war, nun einem Kind dargeboten wurde, das jeglichen Anstand mißachtete.
    Vergleichsweise ungeschliffen wie ein Wildfang stand Elaira vor der ausgemergelten Alten in ihrem Bollwerk aus Roben und dem eisigen Schimmer der Diamanten. Morriels Leben dauerte nun schon weit über tausend Jahre an; Jahrhunderte, für die sie mit eierschalendünnen Knochen und ausgezehrtem, kraftlosem Fleisch bezahlt hatte, umgeben von einer spröden Hülle, die nur durch machtvolle Zauber der Erhaltung bestehen konnte. Im Gegensatz zu der Bruderschaft der Sieben, deren direkter Zugriff auf die großen Beschwörungen es erlaubte, das Leben der Zauberer im Einklang mit den Gesetzen der Physik zu verlängern, mußten sich die Korianizauberinnen darauf beschränken, die Energieresonanz zu erhöhen, die in dem Gitterwerk der magischen Kristalle schlummerte.
    »Zunächst wirst du Schmerz fühlen«, fuhr Morriel fort. »Aber er wird nur so lange anhalten, bis dein Leib ein primäres Gleichgewicht mit den hemmenden Bannen erlangt hat. Nach den ersten sechs Monaten wird dein Altern für einen Zeitraum von gut siebenhundert Jahren aufgehalten werden. Da Daviens Bann nur fünfhundert Jahre andauert, wird es für dich nicht notwendig sein, dich den Qualen einer weiteren Lebensverlängerung zu unterziehen.«
    Inmitten der majestätischen, antiken Schnitzereien der Bruderschaft Aths schlang Elaira die Arme um ihren Leib. Nie zuvor war sie sich des Sonnenscheins, der ungehindert auf die Erde fiel, oder des Gezwitschers der Mauerschwalben auf den Fenstersimsen so bewußt gewesen. Die Warnung ihrer Obersten und die Antipathie hinter Lirendas kühler Fassade verblaßten vollständig gegenüber einer Furcht, die einer anderen Quelle entstammte.
    Einst, an einem Meeresufer in der Dämmerung, hatte ein

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