Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
zwanghaftem Vertrauen überlassen hatte. In ihren Augen stand ein Ausdruck, so unheilvoll wie eine arktische Nacht, als sie leise murmelte: »Sei verflucht, du Sohn der s’Ffalenns.«
Die bloße Existenz des Arithon von Rathain hatte nicht nur das impulsive Herz Elairas bezwungen, sondern überdies die Disziplin der Ersten Zauberin zerstört, die auserwählt war, eines Tages die Nachfolgerin der Obersten zu werden. Bei dem kalten Feuer, das in ihren Gelenken schmerzhaft wütete, gelobte Morriel, daß sie ihn für ihr erlittenes Elend im gleichen Maße würde leiden lassen.
Sollte Lirenda die Erwartungen Morriels enttäuschen, sollte sie auf ihrem Weg zur Weihung als Oberste Zauberin von Koriathain versagen, lag ein weiteres Jahrhundert verlängerter Lebenszeit gleich einem grausamen, dunklen Abgrund vor ihr, das sie, noch immer atmend, der Suche und Ausbildung einer neuen Kandidatin würde widmen müssen.
Reisen
Während die Bäume sich mit saftigen Blättern bedecken, hält Lysaer s’Ilessid mittellos Einzug in die Stadt Erdane; und als der Stadtregent seine Ablehnung, einen Gast von königlichem Blute zu beherbergen, fallenläßt, ist Lord Diegan nicht im mindesten überrascht, daß die entwaffneten Soldaten im Gefolge des Prinzen selbst nach drei Wochen ohne Sold noch immer in unerschütterlicher Loyalität zu ihrem Gebieter stehen …
In der knospenden Wärme südlicher Breitengrade begibt sich eine handverlesene Gruppe Korianiältester auf eine Reise über das Land; auf Geheiß Morriels, ihrer Obersten Zauberin, die, eingehüllt in warme Decken, in einer Sänfte mit ihnen reist, richtet sich ihr Streben auf die bevorstehende Sonnenwende, zu der sie erneut danach trachten werden, den so schwer faßbaren Herrn der Schatten zu entlarven …
Im Herzen der inneren Zitadelle Alestrons denkt der Bruderschaftszauberer Asandir über die Behauptung des aufgeregten Seneschalls nach, der Statthalter und seine Brüder seien abwesend, um eine Verlobungsfeier vorzubereiten; und obwohl der gesäuberte Boden keinen Hinweis auf eine Gießerei liefert und nirgends eine Spur verbotener wissenschaftlicher Schriften zu finden ist, weicht der Stadtbedienstete doch beständig der unwiderlegbaren Tatsache aus, daß die Wände der Waffenkammer noch Anzeichen des Verschleierungsbannes einer Erdenhexe tragen …
5
MASKENSPIEL
Die Tür zu Hallirons Dachstube wurde mit einer Wucht aufgestoßen, die ausreichte, den Rahmen erbeben zu lassen, jedoch nicht, den Tanz der Arpeggios zu stören, der sich den Septimen zuneigte. Die Noten waren wie eine übergangslose Kaskade unter seinen Fingern, so ruhig und ebenmäßig spielte Medlir, als er Dakar, der eben mit leuchtendroter Nase im Sturm aus dem öffentlichen Bad zurückgekehrt war, mit hochgezogenen Augenbrauen fragend anblickte. Noch immer waren die Kleider des Mannes nicht korrekt geschnürt und seine Haare hingen in feuchten, unordentlichen Fransen herab, während der aufdringliche Geruch von Rosenöl aus seinen Bartstoppeln strömte.
»Ich wußte gar nicht, daß wir dir Geld für ein Duftwasser gegeben haben«, sagte Medlir.
Übellaunig aufgrund der Tatsache, daß er nicht einmal genug Geld besaß, sich zu betrinken, schob Dakar einen Stapel Briefe Hallirons beiseite und ließ sich auf ein Kniekissen fallen. Da jedoch seine Freiheit unmittelbar von dem Meisterbarden abhing, besann er sich auf eine zivilisierte Entgegnung. »Der Gestank ist ein Lippenpräsent einer Dirne.«
»Aha.« Nicht einmal geriet der melodische Verlauf der Klänge in Unordnung. »Gibt es etwas Neues zu berichten?« Dakar fingerte an den geschnürten Ärmeln des orange-grünen Wamses herum, das er bei einem Händler gebrauchter Kleidung in einer Nebenstraße aufgelesen hatte, um sich von den bauschigen Stulpen zu befreien. »Nun, die Gattin des Herrn Stadtrat hat sich leichtsinnig in die nächste Affäre gestürzt. Ziemlich langweilige Neuigkeiten, immerhin wirft sie jeden Monat einen Liebhaber raus.« Von einem verknoteten Band bezwungen, fuhr der Wahnsinnige Prophet fort: »Aber kennt Ihr die Frau mit dem fetten Arsch, die Eigentümerin von Madame Havritas? Nun, sie hat sich ein blutiges Auge geholt. Hat ’ne gewaltige Schramme kassiert, nachdem sie die altjüngferliche Schneiderin in der Zwirnnadelstraße beleidigt hat. Beide haben behauptet, ihr Laden wäre ausgebuchter als der der jeweiligen Rivalin, und jede hat darauf bestanden, daß ihre Entwürfe die Damenmode zur
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