Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
zutage, der entweder offen ausbrechen und auf zerstörerische Weise heilen oder weiter andauern und das Leben der Menschen vergiften konnte, bis hin zu Generationen, die noch nicht einmal geboren waren.
Gleich einer schimmernden Harmonie erfüllten die letzten, aufregenden Rhythmen die Luft, ehe auch sie verklangen. Der Barde ließ sein Bein von dem Polster gleiten. Schwungvoll senkte er sein Instrument, trat vor und verbeugte sich. Laut durchbrach das Klappern der Stuhlbeine die Stille, als der Statthalter Jaelots von seinem Platz aufsprang.
»Wie könnt Ihr es wagen«, keuchte er, atemlos vor Zorn. »Wie könnt Ihr Euch herausnehmen, meine Gaste zu entehren.«
»Ich sang ein Lied für Euch, das in kurzen Zügen von der Gastfreundschaft in Eurer Stadt kündet«, entgegnete Halliron, und seine melodische Stimme klang sonderbar hart. Nichts büßte er von seiner Würde und der stolzen Standhaftigkeit ein, als der Statthalter mit den Fäusten auf den Tisch schlug, das rosagestreifte Tischtuch mit sich riß und Teller und Kristall klirrend zu Fall brachte. »Meiner Kunst ist es nicht billig, erzwungen und in aller Öffentlichkeit verspottet zu werden. Eure Forderung aber habe ich bis ins kleinste Detail erfüllt.«
Seine Worte rissen den letzten Schleier benebelter, hypnotischer Faszination beiseite. Bürger, wundgeschlagen von dem Schmerz des Verrats, erhoben sich wild gestikulierend und zu zornigen Auseinandersetzungen getrieben von ihren Sitzen. Angestachelt durch das Ausmaß dieser Wut und doch behindert durch die beiden Hellebarden, fluchte Medlir verzweifelt am Kopf der Treppe. Jeder Versuch, Halliron durch seine Schatten zu schützen, würde zwangsläufig seine Identität offenlegen. Bezwungen von seinem Schrecken und nicht gewillt, ein großes Blutvergießen herbeizuführen, indem er Lysaers Armeen allein durch seinen Namen herbeilockte, schlug er dem Gardesoldaten zu seiner Linken die ledernen Schnüre, die er wie eine Peitsche gehalten hatte, direkt in die Augen. Der Mann fiel zurück. Medlir wich dem blinden Stoß seiner Waffe aus. Der andere Soldat, der abkommandiert worden war, ihn zu bewachen, war ein Freund, mit dem er sich bereits gemessen hatte; dieser nun ließ angesichts seines unbewaffneten Gegners die Hellebarde fallen, stürzte auf Medlir zu und legte die Arme gleich einem Schraubstock um den Mann, um ihn festzuhalten.
Niemand nahm von der gewaltsamen Auseinandersetzung der beiden Männer Notiz, als die Soldaten nahe dem Stadthalter sich aufmachten, den Meisterbarden gefangenzunehmen. Ehe sie ihn jedoch erreicht hatten, war bereits ihr stämmiger Hauptmann bei ihm und versetzte ihm einen heftigen Faustschlag.
Reflexartig krümmte sich Halliron, um seine unbezahlbar wertvolle Lyranthe zu schützen. Der Schlag erwischte ihn gleich hinter der Schläfe und schleuderte ihn brutal zurück. Er stolperte über einen Stuhl, verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Das Krachen berstender Stuhlbeine vermischte sich mit dem wortlosen Aufschrei Medlirs.
Für den Augenblick eines aussetzenden Herzschlages bewegte sich nichts außer den Holzsplittern auf dem Fliesenboden. Dann brach ein Höllenlärm unter den gedrängt stehenden Gästen aus. Nur Halliron blieb reglos und still liegen, und seine Juwelen schimmerten wie herabgefallene Flämmchen über der schwarzen Seide. Ein scharlachroter Streifen zog sich durch sein silbernes Haar, während die Lyranthe, die er mit seinem zerbrechlichen Leib geschützt hatte, unversehrt in seiner Armbeuge ruhte.
Allein Dakar, bleich und verstört in seinen Ketten, sah ungehindert zu, wie Medlir sich aus der Umklammerung des Gardesoldaten befreite. Blitzschnell drängte er sich durch das Pack wutentbrannter Gaffer, schlug mit Händen, Ellbogen und Knien auf samtgepolsterte Leiber ein, wobei er eine Bösartigkeit offenbarte, die so gar nicht zu seinem Charakter passen wollte. Mehr als nur ein Lebemann wurde umgestoßen und hockte bald klagend am Boden, während weinende Gemahlinnen sich der geschundenen Arme und Hände ihrer Gatten annahmen.
Kaum Sekunden nach dem Sturz des Meisterbarden, kauerte Medlir auf Knien neben seinem Meister, öffnete seinen Kragen und suchte mit zitternden Händen nach einem Puls. »Schnell, schickt nach einem Heiler und einer Trage.«
Doch statt dessen bohrte sich das Metall von Kettenhandschuhen in seine Haut, als des Statthalters Hellebardiere ihn von beiden Seiten ergriffen und wieder auf die Füße rissen.
Auf dem Podest begegnete
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