Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
der Statthalter von Jaelot seinem Protestgeschrei mit zusammengekniffenen, zornglühenden Augen. »Ich werde die Unterhaltung bekommen, die meiner Frau und ihren Gästen gefällt. Ihr werdet anstelle Eures Meisters für uns spielen. Du wirst jubilieren, so süß wie eine Lerche, oder es gibt keine Trage und keinen Heiler, sondern lediglich des Scharfrichters Klinge für Euch alle.«
Mit tiefen, aufgebrachten Atemzügen, in den geweiteten Augen ein Ausdruck, den zu lesen niemand imstande war, zerrte Medlir am festen Griff der Gardesoldaten.
Der Hauptmann des Statthalters versetzte ihm einen Hieb. »Sei vernünftig, Bursche. Was ist so eine abendliche Aufführung schon wert. Sicher weniger als das Leben deines Mentors und Freundes.«
Festgekettet an dem Gerüst, mit geballten Fäusten und weiß hervortretenden Knöcheln an seinen Fesseln zerrend, beobachtete Dakar mit peinigendem Zorn, wie die Schultern unter dem grauen Leinen im Griff der Panzerhandschuhe der Gardesoldaten zitterten. Medlirs Gesicht war von ihm abgewandt; dem Wahnsinnigen Propheten blieb keine Möglichkeit abzuschätzen, wie seine Antwort auf eine Drohung abseits von Anstand und Barmherzigkeit ausfallen würde. Da Halliron mit seinem Spott doch sein Wort nicht gebrochen hatte, war nun jeglicher Anlaß zu weiterem Vertrauen verwirkt. Übellaunig wie eine in die Ecke getriebene Bulldogge inmitten des Schmerzes öffentlich verletzten Stolzes, würde der Statthalter Jaelots eher ein Blutvergießen verursachen, als zurückzuweichen und sich der Vernunft oder gar einem Kompromiß zu beugen.
Gefangen in sadistischer Neugier wichen die Umstehenden nur widerwillig zurück, als die Dienstboten sich näherten, um die zersplitterten Überreste des Stuhles zu bergen. Ein Diener, kaum mehr als ein Knabe, entwand die Lyranthe aus Hallirons erschlafftem Griff, ehe ein von draußen herbeigerufener Kutscher mit sandfarbenem Haar sich der Aufgabe widmete, den alten Mann aus dem Saal zu entfernen.
Der Anblick seines Meisters, hochgewuchtet wie ein Stück totes Fleisch, und die zusätzliche Provokation, mitansehen zu müssen, wie das sorgsam umhegte, einzigartige Instrument der Gnade ungeschickter fremder Hände ausgeliefert war, löste schließlich Medlirs Zunge. »Für das Leben des Meisterbarden und das des Gefangenen werde ich spielen.«
Der Statthalter Jaelots strich sich zufrieden lächelnd über seinen fetten Bauch.
Den Kopf verdreht, um dem grobschlächtigen Kerl nachzusehen, der seinen bewußtlosen Meister hinaustrug, reagierte Medlir überhaupt nicht, als die Gardesoldaten ihm seine Freiheit zurückgaben. Beherrscht über jegliche Emotion hinaus oder einfach nur gelähmt vor Schmerz, behielt er die Seitentür im Auge, bis der Kutscher mit seiner Last seinem Blick entschwunden war. Dann erst richtete er seine Aufmerksamkeit auf den großen Saal. Kalt und ohne Funkeln blickten seine Augen über sein aufgewühltes, rachsüchtiges Publikum: Männer im glitzernden Schein ihrer Juwelen; Damen, die ihre Lippen mit ihren rosaroten Zungen befeuchteten, während die federbesetzten Schleppen ihrer Kleider mitsamt ihrem prunkvollen Putz im Gedränge zerdrückt wurden. Deutlich erkennbar im gleißendhellen Licht der Kerzen drängten sich die Gäste des Statthalters flüsternd und in froher Erwartung eines neuerlichen Schauspiels dicht zusammen.
Leise gemurmelte Kommentare begleiteten jede noch so kleine Bewegung Medlirs. Seiner ganz persönlichen, gnadenlosen Pein schonungslos ausgeliefert, erduldete der zierliche Minnesänger die feindseligen Blicke der blaublütigen Gesellschaft Jaelots. In seinem sonderbar geschnittenen Hemd, das an den Handgelenken eng geschnürt war, einfacher Kleidung, die im Vergleich mit der Brillanz der Gewänder aus Seide, Samt und Brokat angestaubt und modrig erschien, verlangte er nach der Lyranthe in Händen des Bediensteten. Dann trat er in die Mitte des Raumes und lehnte seine Hüfte an die groben Bretter des Gerüstes, an das der Gefangene gekettet war. Als wäre er der einzig atmende Mensch im ganzen Saal, legte er seine Hände an die Silbersaiten und begann, sie in aller Ruhe zu stimmen.
Die süßen Vibrationen des Klanges brachen den grausigen Käfig der Spannung auf. »Er versucht, seine Hände davon abzuhalten, zu zittern«, erdreistete sich ein Zwischenrufer aus dem Publikum.
Nervöses Lachen beantwortete seine Bemerkung.
Weitere Stimmen wurden laut, schrill erklangen sie in dem hohen, angespannten Tonfall gedämpfter
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