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Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Geruch von Mandeln und Blüten der Weinranken herein, die die Südfassade der Herberge bedeckten. Irgendwo draußen ertönten Ziegenglöckchen, begleitet von dem Flötenspiel des Hirtenjungen, das aus noch größerer Entfernung noch etwas leiser an ihr Krankenlager drang.
    Elaira klammerte sich an diese elementaren Wahrnehmungen, an Gerüche und Geräusche und den Anblick der sommerlichen Sternenkonstellationen, die sich grimmig vor dem dunklen Himmelszelt abhoben.
    In Nächten wie dieser verweilte sie gar bei ihren scheußlichen Qualen, nur um nicht wieder einzuschlafen. Sie war bereit, jedes nur denkbare Mittel als Anker zu benutzen, sich vor den grausigen Alpträumen zu schützen, die sich in ihr Unbewußtsein schlichen. Träume, die sie mit sich zerrten und unter Wogen blanken Entsetzens ersticken wollten, dann wieder schwanden, sie zitternd und schluchzend zurückließen, ohne irgendeine Erinnerung, die es ihr gestattet hätte, die Furcht, die sie überwältigte, beim Namen zu nennen. Zu anderen Gelegenheiten erlebte sie erneut die Schrecken ihrer schäbigen Kindheit, sah sich mit klopfendem Herzen durch die schmutzigen Gassen Morvains vor dem Wachtmeister fliehen. Bettler und Diebe, die ihr geholfen oder sie hintergangen hatten, zeichneten sich deutlicher vor ihr ab, als es ihre gegenwärtige Umgebung tat.
    Später dann erhob sie sich und empfand sich als Fremde, eingeschlossen in den Körper einer erwachsenen Frau, abgetrennt von ihrer wahren Identität, fortgerissen von Geist und Selbst, durch die Auswirkung der veränderten Resonanz ihres magischen Kristalls. Wenn sie allein war während dieser Übergangsphasen, minutenlang unter schweißtreibenden Qualen litt, dann keuchte sie manches Mal voller Verwirrung in dem verzweifelten Bemühen, die verstreuten Fäden ihrer ausgefransten Selbstwahrnehmung wieder einzusammeln.
    Wenn sie nicht während dieses Prozesses der Anpassung an eine verlängerte Lebensspanne, dem sie sich auf den Wunsch ihrer Obersten unterzogen hatte, den Tod finden würde, so sollte er in weiteren drei Monaten abgeschlossen sein. Dann, so gelobte Elaira feierlich, würde sie wieder lernen zu lachen; sie hatte ein scheußlich langes Leben vor sich, und sie würde Lirenda, die Erste Zauberin, von einem Ärgernis zum nächsten hetzen.
    Mit solchen Phantasien entlockte sie sich selbst ein müdes, halbherziges Lächeln, das sie sogleich wieder fallenließ, verursachte doch bereits die kleinste Bewegung ein Stechen, als würden unzählige winzige Nadeln über ihre Nerven wandern. Der Drang, die Augen angesichts all des Unbehagens zu schließen, überwältigte sie schließlich, und ihr Geist tauchte erneut hinab in die Tiefe des Schlafes.
    Ein lebhafter Traum regte sich, Besitz von ihr zu ergreifen, doch er war anders als alle anderen zuvor …
     
    Sie schritt über eine Landzunge von silbrigem Sand. Matt spülten Wellen Schaum wie nasse Spitze um ihre Knöchel, während die Sterne auf ihrem sommerlichen Kurs über den Himmel hoch über ihrem windzerzausten Haar wanderten. Der Polarstern stand hoch am Himmel, und auch der Sog der Gezeiten wies auf einen nördlichen Breitengrad nahe der Mitternachtsstunde hin. Im Knirschen jedes einzelnen Sandkornes und dem scharfen Geruch der salzigen Meeresluft fühlte Elaira die Ankunft der Sonnenwende gleich einem aufziehenden Sturm.
    Getrieben von einer bösen Vorahnung; angestachelt von einer unsichtbaren Bedrohung, blickte sie zum Landesinneren.
    Doch kein Unheil schien dort zu lauern.
    Oberhalb der sanfte Erhebungen der Dünen überragte eine altertümliche Ruine die Brandung, deren halbzerfallene Türme und sturmgepeitschte Bollwerke sich wie eingestürzte Skulpturen dem Himmel entgegenreckten. Der verweilende Nachhall betörender Harmonie kennzeichnete den Ort als Schauplatz paravianischen Lebens. In den Energien, welche die Erde durchdrangen, fühlte Elaira den nahe gelegenen Kraftkreis: uralte Steine lagen dort, angeordnet zu einem Muster, überdeckt von schwarzem Moos und aufgebrochen von hervordrängendem Riedgras. Die Resonanz entsprach der Vibration des Siebten Weges, doch in dem magnetischen Spiel der Statik erklang das dissonante Murmeln ungebührlichen Eindringens.
    Da: ein nagendes, kriechendes Unbehagen verstärkte sich zu einem Schaudern. Elaira preßte ihre Handflächen an die Schläfen, um ihre Konzentration zu festigen und dem unheimlichen Gefühl zu folgen, das von etwas gänzlich Falschem kündete. Die Macht war weder tot noch vergessen,

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