Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
sondern eine neuerliche Beschwörung in der gleißenden Verbindung von vierundzwanzig Zauberinnen, vereint in einem magischen Kreis zu Athir.
Eine ferne Stimme vibrierte durch ihren Traum. »Ihr müßt wissen, daß ein fremder Geist unserer Spur folgt.«
Elaira bekam keine Gelegenheit, Furcht zu empfinden. Der Sand, auf dem sie dahinschritt, löste sich auf, während ihr isoliertes Bewußtsein durch endlose Finsternis taumelte. Macht schlug auf sie hernieder wie das Beißen stählerner Pinzetten, umklammerte sie und ließ sie nicht mehr entkommen. Als es schließlich wieder hell wurde, blickte sie nach oben, durch die blaugetönten Facetten eines Prismas. Ein Kreis weiblicher Gesichter hinter einem gazeartigen Schleier starrte auf sie herab.
»Es ist die Novizin Elaira«, erklärte eine der Frauen mit frostiger, verächtlicher Stimme.
Kein schlafbedingter Traum hatte sie an diesen Ort geführt, sondern die gefahrvollen Visionen der Hellseherei. Entsetzliches Grausen brannte in ihren Eingeweiden, als sie mitanhören mußte, mit welchen Worten Morriel dem bestürzten Ausruf der Ältesten begegnete, nachdem sie so gänzlich unwissend durch die Schutzbarrieren der Zauberinnen gedrungen war.
»Dieses Eindringen kann uns wohl kaum überraschen. Der Skyronkristall hat dazu gedient, Elairas Juwel auf die Langlebigkeit einzustimmen. Da die Steine noch immer in einer gleichartigen Resonanz schwingen und überdies unsere Suche anläßlich der Sonnenwende dem Herrn der Schatten gilt, mußte ihre eigene Vernarrtheit sie in Mitleidenschaft ziehen.«
Blechern und mißbilligend meldete sich eine andere Stimme wagemutig zu Wort: »Dann müssen wir einen Schutzbann setzen, um sie fernzuhalten.«
»Laßt sie nur bleiben«, widersprach Morriel. »Ich denke, ihre Anwesenheit kann dazu beitragen, unsere Suche in unserem Sinne zu beeinflussen.«
Gleichsam wie in einem Alptraum und doch wach, war Elaira an den beherrschenden Kristall gekettet und mußte voller Zorn erleben, wie ihr Mitgefühl gegenüber Arithon s’Ffalenn dazu mißbraucht werden sollte, seine geschützte Privatsphäre aufzubrechen. Sie konnte nichts dagegen tun. Voller Verzweiflung mußte sie es erdulden, daß der Quarz, der das Gewebe ihres Leibes veränderte, mit dem Pulsieren des größeren, machtvolleren Juwels verschmolz, das in der Resonanz eines Kraftkreises des Siebten Weges, tausend Wegstunden gen Nordwesten, vibrierte.
Energie plätscherte durch die verknüpften Geister, als vierundzwanzig Korianiälteste ihre magischen Bande zu einem zwingenden Ruf gestalteten. Methodisch und leidenschaftslos riefen sie zuerst das Muster herbei, daß den Charakter Arithon s’Ffalenns darstellte.
Diesem Muster fügten sie ihren Zauber in miteinander verwobenen Lagen gleich kreisförmigen Wellen hinzu, errichten ein Siegel von der Anziehungskraft klebriger Spinnenfäden, eine Falle, so natürlich wie die gegenseitige Anziehung von Eisen und Magnet, die Abhängigkeit von Sonne, Mond und Gezeiten oder der Lockruf des Honigs, der die Bienen zu den Blüten rief. Die Oberste Zauberin wob dunklere Fäden, setzte einen Kontrapunkt, so ruhelos wie geistige Besessenheit oder das geistlose Sehnen eines Drogensüchtigen, in dem das Fleisch mit fremden Substanzen zu endloser körperlicher Pein zu verschmelzen vermochte.
Das Herz schwer vor Mitgefühl für Arithon, fühlte Elaira das grausame Zerren dieses Gewirkes. Auf der Pritsche in der Herberge zu Forthmark zuckte ihr Körper wimmernd hin und her, als der Kreis der Korianizauberinnen zu Athir ausholte, den innersten Kern ihrer tiefsten Scham zu plündern, deren Grausamkeit ließ Elaira geschändet zurück, beschmutzt, und trotzdem zehrten sie von dieser Liebe, die sie nie gewollt hatte, und verwoben ihre unschuldige Essenz mit dem Gift ihrer tückischen Schlinge. Klar und deutlich wie ein Glockenspiel zog der Augenblick der Mitternacht am Tag der Sonnenwende über den Weg des Ostens.
Gleich geschmolzenem Metall in einem Tiegel entflammten die Schwingungen der aus der Erde gewonnenen Energien in dem Kraftkreis zu Athir. Nicht allein die Wogen und das alte Gemäuer tranken von diesem Strom der Macht. Selbst aus der Ferne konnte Elaira dem Augenblick nicht entfliehen, in dem die magische Suche der Korianizauberinnen mit den wogenden Energien des Weges verschmolz. Das solchermaßen freigesetzte Gebilde brach hervor, drängte darauf, sich mit seinem Gegenstück in blinder, gnadenloser Gewalt zu vereinen.
Versteck dich, flehte
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