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Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Seine Runenkreise fingen die Erdenmächte auf und brannten sich nun durch die Schicht aus Mörtel und Steinen empor. Lang vergrabene Muster bildeten sich neu aus Linien rauchender Asche heraus. Selbst mit bloßen Händen berührt, würde von dieser Asche über den magischen Siegeln keine Hitzeempfindung ausgelöst werden. Doch die verängstigten Bürger wagten nicht, sich mitten in ihrer Flucht damit aufzuhalten, genauer zu untersuchen, was ihnen als Schwarze Magie erschien. Schrille Schreie ausstoßend, liefen sie vollends entnervt vor Angst durch die Vorhalle hinaus in die Straßen der Stadt, die ihnen doch keine Zuflucht boten.
    Gleich verschüttetem Phosphor strömte die Macht der Elemente hinaus, verschleierte das Licht von Fackeln und Lampen, zerrte ganze Familien unsanft aus ihren Betten und versetzte sie in Angst und Schrecken. Frauen weinten, während Kinder laut lachten. Männer stürzten sich in Schlafröcken auf ihre Waffen. Die Freudenfeuer flackerten zu gewaltigen Bränden auf und schlugen die Tänzer in die Flucht; und überall entlang der alten Energiekanäle ächzten die Balken der Häuser und Schuppen, bogen sich und brachten junge Zweige und Knospen hervor. Schieferplatten und die Ziegel der Schornsteine wurden zermalmt und davongeblasen. Jeder Turm, jede Mauer und jedes Steingebäude, das nicht im Einklang mit den natürlichen Kanälen erbaut worden war, dröhnte gleich einer riesigen Glocke, ehe es ganz einfach zusammenfiel, während das wiederauflebende Ritual, das sechs Jahrhunderte lang nicht stattgefunden hatte, sich seine alten Wege zurückeroberte.
    So ruinös die Auswirkungen für die Habe der Sterblichen auch sein mochten, Leben und Leiber, die in den Weg der Energien gerieten, erlitten kein Leid außer harmlosen Blutergüssen und Hautabschürfungen. Ein paar Menschen, die schon alt oder gezeichnet von schwerer Krankheit waren, starben mit einem Lächeln auf den Lippen; und überall entlang der Energiekanäle ereigneten sich wahre Wunder. Ein blindes Mädchen konnte wieder sehen. Zwei Krüppel versuchten, ihre Beine zu bewegen und konnten wieder gehen. Eine wahnsinnige Frau weinte vor Freude über die Wiederherstellung ihrer geistigen Gesundheit, während ein Zahlmeister wehklagend dem Wahnsinn anheimfiel, als er versuchte, vernünftige Erklärungen für Ereignisse zu finden, deren Ursprung außerhalb der erbärmlichen Logik Sterblicher zu suchen war. Hinfortgespült von der Majestät der Energiewoge, blieb zu dieser Sonnenwende kein Lebewesen in Jaelot unberührt von den Ereignissen.
    Während Mauern, Wellenbrecher und Hütten zu Staub zermahlen wurden, ergaben sich die Menschen der Freude ebenso wie grenzenloser Furcht und jedem Gefühl, das zwischen beiden Empfindungen Platz fand. Die wiedererweckte Harmonie bahnte sich ihren Weg hinaus, um den Kontinent mit ihrer Energie der Erneuerung zu überziehen. In dem zerstörten Palast, mitten in den zerschmetterten Überresten eines großen Festes, dämpfte der Musiker endlich die Saiten. Erschöpft und ausgezehrt saß er da, die Stirn auf das warme Holz des Instrumentes eines Meisterbarden gelegt. Seine schlanken Finger baumelten kraftlos herab, als das Schmiedefeuer der Inspiration in dröhnende Stille überging.
    Der einzige Mensch, der noch da war, die Vorgänge zu beobachten, war der Prophet. Das Holz, an dem seine Ketten befestigt waren, war zu einem Teil zu neuem Leben erblüht, wogegen der Rest gänzlich zerschmettert worden war. Mühevoll sog Dakar rasselnd Luft in seine Lungen, ehe er mit klappernden Zähnen sagte: »Daelion, der Herr des Schicksals, ist mein Zeuge! Diese Stadt wird Euch als Zauberer auf den Scheiterhaufen stellen, falls sich die Korianizauberinnen nicht zuerst auf Euch stürzen und Euch das Fleisch vom Leibe reißen wie ein Rudel blutgieriger Hexen.«
    Ermattet zu Füßen des Mannes, der ihm so Übles prophezeite, regte sich der Kronprinz von Rathain. Langsam richtete er sich auf und wischte mit dem trockenen Stoff seiner Ärmel über die ölig glänzenden Saiten der Lyranthe. Unter größter Anstrengung erhob er sich. Die feindseligen Blicke in seinem Rücken schienen Löcher in sein schweißnasses Hemd brennen zu wollen, als er, erfüllt von gefährlicher Schwäche, sagte: »Dann ist es wohl das beste, wenn wir von hier verschwinden, meinst du nicht?«
    Anstelle einer Antwort schlug Dakar seine Hände auf den Boden des Gerüstes, und die Ketten gaben ein mörderisches, metallisches Dröhnen von sich.
    Arithon

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