Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
windgepeitschter Palmwedel, schüttelte Arithon den Kopf. »Ich bestehe nicht aus abgesonderten Teilen, sondern ich bin als ein Ganzes mit dem Makel behaftet, den Desh-Thieres Fluch über mich gebracht hat. Was nutzt es, zu klagen? Die geschulten Gaben, die ich im Übermaß gebraucht habe, die Clanblütigen zu retten, haben ihr eigenes Maß an Zoll eingefordert.«
Während sie gemeinsam im Regen durch die Stadt gingen, wußte Elaira nichts mehr zu sagen.
Endlich wieder zu praktischem Handeln gezwungen, brachte sie, als sie die Hand nach dem Türgriff ausstreckte, mit Mühe eine Frage hervor, die von größter Bedeutung war: »Jinesse hat mir erzählt, daß Eure Sangeskunst und die Leidenschaft Eurer Kunst zu Innish einen sehr alten, tiefen Haß durchbrochen haben. Diese Heilung aber erfordert ein Gewebe von weit größerer Macht. Wie gut seid Ihr?«
»Ich weiß es nicht.« Schattengleich stand er vor den regengepeitschten Wandschindeln ihrer Hütte. »Halliron starb, bald nachdem ich meine Meisterschaft erlangt hatte. Zwar konnte ich meine Grenzen noch nicht ausloten, doch dürfen wir nach den Ereignissen, die sich in Jaelot zugetragen haben, annehmen, daß ein beachtliches Potential darauf wartet, genutzt zu werden.«
»Welch taktvolle Bemerkung.« Wäre sie nicht so besorgt gewesen, dann hätte Elaira angesichts seiner Worte vielleicht sogar gelacht. »Allerdings wünschte ich bei Dharkaron samt seinem Speer und seinem Wagen, die Nacht wäre etwas angenehmer, wenn ich schon das Risiko eingehen muß, meine Behausung an einen Wirbelsturm entfesselter Gewalten zu verlieren.«
Sie stieß die Tür auf. Drinnen, im Licht der von der Zugluft beeinträchtigten Kerzenflammen, lag der verletzte Junge ausgestreckt und noch immer in sein Ölzeug gekleidet auf ihrem Arbeitstisch. Auf den Bodenbrettern unter ihm hatten sich Pfützen aus Regenwasser und Blut gebildet. Feucht glänzten die sandigen Fußspuren der Seeleute, denen noch nicht genug Zeit geblieben war, zu trocknen. Eine wettergegerbte Frau, deren ergrauendes Haar von Peddigrohrstücken gehalten wurde, hockte zusammengesunken auf einem Stuhl neben dem Tisch. Finger, dauerhaft gerötet nach einem ganzen Leben des Ausnehmens und Einsalzens der Fische, verkrampften sich in Ärmel, die von dem schillernden Glanz der Kabeljauschuppen überzogen waren.
Elaira steckte ihre Fackel in den Kübel neben der Schwelle, warf ihren durchnäßten Umhang ab und entließ die Verwandte des Jungen mit freundlichen Worten. »Es war sehr nett von Euch zu warten. Doch nun geht. Ich werde Euch benachrichtigen, sobald es etwas Neues gibt.«
Die Frau erhob sich und legte sich einen Strickschal über die Schultern, ehe sie schüchtern fragte: »Gestattet Ihr?« Auf Elairas kurzes Nicken hin bückte sich die Frau und küßte den Jungen auf die Wange.
Selbst diese zarte Berührung reichte aus, dem Mann einen rasselnden, schmerzerfüllten Atemzug zu entlocken. »Geh, Mutter«, keuchte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Geh zu meiner Elie und tröste sie.«
Arithon, der seine Lyranthe bereits abgelegt hatte, durchquerte rasch den Raum, die alte Frau zu stützen, die weinend zur Tür stolperte. Sicher geleitete er sie hinaus, ehe er die Tür verriegelte und sich das nasse Hemd unter einem Regen herumspritzender Tropfen vom Leib riß.
»Ihr könnt das Handtuch auf dem Haken neben der Waschschüssel benutzen.« Elaira ergriff des Burschen gesunde Hand, um seinen Puls zu messen. Mit erfahrenem Blick studierte sie sein Gesicht, das aschfahl wie Ambra war, ehe sie sich auf seine schwachen, rasselnden Atemzüge konzentrierte.
»Ich wage es nicht, ihm ein Schlafmittel zu geben«, erklärte Elaira auf Paravianisch, um dem Jungen weiteren Kummer zu ersparen. »Es ist zu gefährlich, solange er unter diesem schweren Schock leidet.«
So sehr sie auch beschäftigt war, gelang es ihr doch nicht, die Anwesenheit Arithons, die Wärme, die von ihm ausstrahlte, seine unerschütterliche Ruhe zu ignorieren. Nach einer Weile bewegte er sich. Warme Hände griffen in ihr nasses Haar und trockneten es mit dem Handtuch. Dann, ganz gefaßt und mit sicheren Bewegungen, kämmte er mit den Fingern ihr Haar, ehe er es in Strähnen aufteilte und zu dem üblichen, ordentlichen Zopf flocht.
»Ihr müßt schließlich sehen, was ihr tut«, murmelte er mit einem musikalisch tiefen Tonfall, der wie ein Tonikum auf ihre überreizten Nerven wirkte. Aus seinen abgelegten Stulpen zog er eine Schnur heraus, um seine Arbeit zu
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