Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
wie sie dieses Feldlager repräsentierte, Entschuldigungen für eine solche Kränkung nicht erforderlich machte.
Sein eigener Bruder war ein Herzog von altem Blute; es war gewiß keine Kleinigkeit, daß Alestron auch heute noch, nun sogar wieder unter der Herrschaft eines rechtmäßig gekrönten Königs, gemäß der Charta des Landes regiert wurde, und Keldmar hätte unbesehen seinen Dolch ergriffen, den Mißbrauch der gnädigen Frau zu rächen, hätte ihn nicht seine Mission gegen Arithon s’Ffalenn zurückgehalten, die absoluten Vorrang genoß.
Nur um ihres gemeinsamen Feindes willen, sollte der Prinz des Westens sich Gehör verschaffen dürfen.
Es wurde spät. Pagen ersetzten die Kerzen, während die Lagerfeuer in sich zusammensanken und nurmehr den schwachen, rötlichen Schein glühender Scheite um sich verbreiteten. Das Kommen und Gehen der Männer wich dem festen Schritt der Wachsoldaten. Weit jenseits der Stille des Lagers war das Klirren von Zaumzeug zu hören. Dann rief die Wache den näherkommenden Reiter an, und die Antwort ließ die Männer im Lager aufmerksam aufhorchen, so hellwach, als wäre plötzlicher Frost über sie hereingebrochen.
Vorgewarnt durch die energischen Kommandos, die durch das Lager hallten, erhob sich Keldmar, als der Reiter vor dem Zelt sein Roß zügelte. Rasch eilte der Stallmeister hinaus, um die Zügel des goldbestickten Zaumzeugs zu ergreifen.
Dann strich der flackernde Schein einer Fackel über einen mit Gold und Juwelen besetzten Wappenrock, und Lysaer s’Ilessid trat aus der Dunkelheit herein. Er streifte seine feinen Handschuhe und seinen goldenen Reif ab und warf beides mit einem Lächeln dem jüngeren Pagen zu. Der Ältere reichte ihm Kelch und Karaffe. Mit vollen Händen überquerte der Prinz den schweren Teppich, füllte ungefragt den leeren Kelch Keldmars nach, ehe er sich selbst einschenkte und sich setzte. Mühelos trug der Feldstuhl seine Gestalt trotz der Last des schweren Staates.
»Ich bin untröstlich, daß Ihr warten mußtet. Ich hoffe, es macht Euch keine Umstände, gnädiger Herr.« Aus der Nähe betrachtet strahlten seine Augen wie der Himmel am Mittag, und der Blick unter den Brauen, die gekrümmt waren wie die Flügel eines Falken, war so offen wie scharf. Vom Kerzenschein umschmeichelt glänzte sein konventionell geschnittenes Haar fahlgülden, als er hinzufügte: »Ich habe Euch die Flucht aus dem Ratssaal geneidet. Etarras Schatzmeister bewegt sich, als wäre er eingefroren, wenn er gezwungen ist, Schatzanweisungen zu besiegeln.«
»Dann habt Ihr also das Gold bekommen, eine Flotte zu heuern«, vermutete Keldmar mit einem recht amüsierten Zug um den Mund. »Habt Ihr auch die Zustimmung errungen, die Offiziere der alliierten Truppen durch Eure Männer zu ersetzen?«
Lysaer nippte strahlend an seinem Wein, ehe er vergnügt lachend fragte: »Sind meine Pläne so offensichtlich?«
Keldmar ließ von seiner vorgetäuschten Fröhlichkeit ab. »Ich urteile nach dem, was ich sehe. Euer Lager zeugt von großer Professionalität. Sollte etwa der Unmut der Stadtkommandanten Rathains Eure königlichen Hände fesseln?«
Ungerührt angesichts dieser überraschenden Sondierung, blickte Lysaer zu Boden, und, obwohl er ruhig blieb, schien er nichts sorglos zu sein. »Wenn unsere grundverschiedenen Heerführer sich nicht zusammenraufen, so muß ich schnell dafür sorgen, daß diese Schwäche ausgemerzt wird. Denn wenn wir gegen Arithon s’Ffalenn zu Felde ziehen, dann werden die Soldaten unter ihrem Kommando keine zweite Chance bekommen.«
»Dann haben diese unerfahrenen Narren Eure Offiziere also abgelehnt.« Keldmar spottete nicht. Wie flüssiger Rubin glänzte der unberührte Wein in seinem Kelch vor dem helleren Scharlachrot seines herzoglichen Wappenrocks.
»Eine Torheit, sich sorglos einem Blutvergießen entgegenzustellen, das leuchtet wohl ein«, sagte Lysaer. Die späte Stunde ihres Treffens hatte seine heitere Gelassenheit zerstört und doch seinem Stolz nicht geschadet; er weigerte sich, sich ruheloser Sorge hinzugeben und im Schutze seines Zeltes auf und ab zu gehen. »Unser Weg durch den Halwythwald verlief ohne Zwischenfälle, aber mein Kopfjägerkommandant, Major Pesquil, und ich stimmen überein, daß die Clanblütigen Rathains nur auf ein Zeichen der Schwäche, der Schlamperei oder des unglückseligen Mangels an Einigkeit in unseren Reihen warten. Sie werden zwischen hier und der Küste zuschlagen. Die einfachere Route nach Oststadt können
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