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Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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einer enormen Kapuze aus Öltuch verschwand. Bei sich trug sie Salbeizweiglein, die ihr den Weg über die Fischmärkte erleichtern sollten. Der Wind zerrte heftig an ihr und ließ sie vor dem Hintergrund weißen Sands und kreisender Möwen wie ein Omen in Gestalt einer Bettlerin erscheinen.
    In ihren Holzschuhen hatte sie einen Gang, der an einen Küstenvogel erinnerte, während sie sich einen Weg durch die Pfützen bahnte, als fühlte sie sich schuldig, Fußabdrücke auf den Sägespänen hinterlassen zu haben. Der säuerliche Geruch von Pinien und nassem Eichenholz drang in ihre Nase, und sie maß Dakars plumpe Hütte, deren klaffende Fugen und vorstehende Nägel gleich einer Flöte im ruhelosen Hauch der Seebrise erklangen, mit einem flüchtigen Blick. Die grob gesägten Fensteröffnungen verfügten weder über Läden noch über Kerzen zur Feier der Tagundnachtgleiche. Die Papiertalismane, die ihre Zwillinge gebastelt hatten, hingen durchnäßt an verhedderten Schnüren von der Traufe herab. Sie umrundete das Gebäude und blieb mit angehaltenem Atem stehen, als die Unstimmigkeit sie gleichermaßen mit Schrecken erfüllte: Vor ihren Augen erhoben sich die ebenmäßigen Rundungen eines Schaluppengerippes, dessen sorgfältige Fertigung von großer Geduld und einem feinsinnigen Umgang mit dem Holz zeugte. Ordentlich fügten sich die durch Dübel gehaltenen Balken an den Kiel, und das feuchte Holz glänzte, als wäre es frisch lackiert.
    Ein einziger Blick reichte der Witwe zu ergründen, warum die Fischer von Merior dem Fremden Respekt zollten.
    Der Ort schien zunächst verlassen zu sein. Dann aber verstummte ein rhythmisches Pochen, daß sie zunächst dem Tun eines Spechts zugeschrieben hatte. Ein gutaussehender Mann von zierlicher Statur, der unter dem unfertigen Rumpf gekauert hatte und Holzhammer und Meißel in Händen hielt, erhob sich. Sägemehl und Späne zierten sein dunkles Haar. Gekleidet war er in eine Kniehose aus Segeltuch, die er mit Fischerzwirn geschnürt hatte.
    Zu wohlerzogen, sich in ihrer Gegenwart mit bloßem Oberkörper zu präsentieren, ergriff er einen nassen Arbeitskittel, der auf einem Sägetisch gelegen hatte, und wrang ihn aus. Kurz erhaschte sie einen Blick auf erschreckende Narben, als der Mann das Hemd über seinen Kopf zog. Viel zu zurückhaltend, sich darüber zu äußern, kämpfte sie dagegen an, ihn anzustarren, während er sich spiralförmige Späne von den Kleidern schlug, ehe er ihr zuwinkte, näherzutreten.
    Als er auf sie zukam, trat sie unwillkürlich einen Schritt zurück. Er war klein, sein Knochenbau so zart wie der eines Falken, obschon ihre Zwillinge einen wahren Riesen beschrieben hatten. »Seid Ihr der Mann, der Meister genannt wird?« Sie wußte keine andere Anrede für den Fremden; selbst im Zustand vollkommener Trunkenheit hatte sein Kumpane niemals seinen Familiennamen erwähnt.
    »Freunde nennen mich Arithon.« Augen von strahlendem, sommerlichem Grün betrachteten sie. Dann lächelte er. Durch ihre Scheu abgelenkt wegen der warmen Finger, die sie berührten und schließlich ihren Ellbogen stützten, blieb der Witwe nur, den Blick abzuwenden. Der Grund ihres Kommens würde den Mann kaum erfreuen, und seine Manieren gaben ihr keinerlei Anlaß, die ganze Angelegenheit abzukürzen.
    »Ihr müßt Jinesse sein«, sagte er. »Hier, kommt nur und setzt Euch.« Er stützte sie während der Schritte über allerlei Holzstücke von der Art, wie ihre Zwillinge sie oft mitbrachten, um neben dem Kamin in ihrer Küche zu schnitzen. Rasch wurde eine Persenning zur Seite gezerrt, und Arithon wies ihr einen Platz auf einem Haufen feingemaserten Teakholzes, das er ein wenig abseits gelagert hatte, sollte es doch später dem Glanz seiner Schaluppe dienen. Erst dann löste er seine Hand von ihrem Arm. »Diese Bretter sind trocken und gewiß sauberer als Dakars Höhle.«
    Jinesse starrte zunächst auf ihre Füße und dann mit größtem Unbehagen zur Seite, wobei sie mit Schrecken erkennen mußte, daß er sie überlistet hatte. Gleich neben ihrem Thron lagen die fertigen Rümpfe zweier Boote, die ebenfalls unter der Persenning zum Vorschein gekommen waren. Schreckensbleich und vor Furcht wie gelähmt, verkrallte sie ihre Hände ineinander, als sie erkannte, daß die Schaluppe, die er baute, zu klein war, zwei Boote mitzuführen. Angesichts Arithons erfreutem Blick vermutete sie, daß das zweite Boot für ihre Kinder angefertigt worden war.
    Aufgeschreckt spannte sie ihre Schultern, was sie

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