Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
gewesen, doch heute waren die hohen Fenster mit Läden verdeckt, und die zweiflügelige Tür war mit einem Messingschloß fest verschlossen. Eingerahmt von Johannisbrotbäumen, ragten die Wände aus gebranntem Ton, die die Hitze fernhielten, vor ihnen auf. Über den Wänden thronte ein moosbedecktes Schindeldach. Auf der feingemaserten Marmorschwelle der Haustür ergriff nun Arithon den Türklopfer und bat um Einlaß.
Ruckartig wurde die Tür aufgerissen, als hätte die spröde Frau im Inneren des Hauses die Straße durch ein Guckloch beobachtet.
Ihr strohfarbenes Haar hatte sie mit Kämmchen zurückgesteckt, und ihr Gesichtsausdruck war trotz der kirschrunden Nase und den vollen Lippen verkniffen und unfreundlich.
»Der Zauberer hat uns gesagt, daß wir mit Euch rechnen sollten«, sagte Hallirons Tochter anstelle eines Grußes. Ihr Blick glitt über den Barden und seine Begleiterin, als suchte sie nach einer Ausflucht, beide sofort wieder fortzuschicken.
Nur Jinesse kannte den Mann gut genug, die Spannung in seinen Schultern zu deuten; doch als er sprach, klang seine Stimme formvollendet höflich. »Mein Name ist Arithon s’Ffalenn. Wie Ihr schon ganz richtig vermutet habt, war ich Eures Vaters letzter Schüler.«
»Das wurde uns erzählt. Ihr habt Euch recht viel Zeit gelassen, seine letzte Bitte zu erfüllen, nicht wahr?« Die Frau riß die Tür nun weit auf. »Kommt in Aths Namen herein und bringt die Sache zu Ende. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, daß diese Erfahrung sonderlich bedeutsam sein wird, wenn auch meine Mutter anders darüber denken mag. Ich bitte Euch, sie nicht zum Weinen zu bringen. Es geht ihr nicht gut, und zusätzliches Leid wird ihr kaum wohltun.«
Arithon trat in die Dunkelheit eines adretten gefliesten Vorraums. Topfblumen in emaillierten Steinguttöpfen erfüllten die Luft mit ihrem Duft und waren doch nicht imstande, den Geruch der Kräuterpasten zur Linderung wunder Gelenke zu überdecken.
Die Frau schnaubte ein wenig befangen und strich mit dem Finger über einen Tontopf, um ihn ihrer Gewohnheit gemäß auf Staub zu untersuchen, ehe sie ihre Besucher über gekachelte Korridore führte, die auf zivilisierte Art die einstigen hölzernen Rinderpfosten ersetzten. In einem stillen Vorraum bat sie die Fremden zu warten.
»Laßt mich schauen, ob Mutter wach ist.« Sie sah sich nicht um, während sie sprach, sondern war in größter Eile darauf aus, durch eine glänzende, mit Kopalharz überzogene Tür zu entschwinden.
Arithon sah sich um, betrachtete die mit Troddeln verzierten, gepolsterten Kniekissen, die im Raum verteilten Fußschemel und die gepolsterten Stühle mit der geradezu schmerzhaft spießbürgerlichen Stickerei; an den Wänden befanden sich allerlei Regale und Vitrinen, vollgestopft mit Alabasterfiguren, Statuetten aus Silberdrahtgeflecht und Cloisonnéfläschchen, die so klein waren, daß sie zu nichts anderem als zur Zierde dienen konnten. Langsam drehte er sich einmal um die eigene Achse. Zierlich wie er war, schien ihm der Raum selbst seine adrette Attraktivität streitig machen zu wollen. Die überall wartenden Sitzplätze waren nichts anderes als ein Bollwerk, eine Mauer, die doch nicht über die Langeweile und die Einsamkeit hinwegzutäuschen vermochte. Von allen Seiten mit Nippes bedrängt, stumme Zeugen sinnleeren Lebens, das danach flehte, erfüllt zu werden, senkte Arithon den Kopf, die Hände über der Schnur gefaltet, an der seine Lyranthe hing.
Beinahe erstickt von dem Eindruck, biß sich Jinesse auf die Lippen.
In diesem Haus erkannte sie eine Spur ihrer selbst und ein Schicksal, dem sie gerade noch entkommen war; verwitwet, verbittert, hatte sie beinahe das gleiche getan, was diese Mutter getan hatte, hatte beinahe ihre Kinder zwischen schmucken Wänden und altem Kummer eingesperrt.
Die Talliarthe hatte sie vor weit mehr als nur der Furcht bewahrt, doch blieb ihr keine Gelegenheit, ihrem Dank Ausdruck zu verleihen.
Heftig wurde die verschlossene Tür nun wieder aufgestoßen, und Hallirons Tochter winkte den beiden, einzutreten.
Arithon betrat das höhlenartige Schlafgemach, das in tiefem Schatten lag, und Jinesse folgte ihm auf dem Fuße. In der Luft hing ein Hauch von Alter und Krankheit, vermengt mit den Ausdünstungen von Seifenlauge. Auf einem großen Regal lagerten allerlei Töpfe und Salben, von denen die harten Reflexionen geschliffenen Glases ausstrahlten.
Das Bett, bezogen mit elfenbeinfarbenen Leintüchern, barg eine alte Frau, die
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