Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
gesehen, obwohl die, die ich erblickte, gleich mit mehreren Aufgaben beschäftigt waren, so wie ein Kuckuck im Falkennest. Hast du all deine Soldaten fortgeschickt, Mauern zu bauen?«
»Das habe ich in der Tat.« Diegan führte seine schöne Schwester durch das Chaos emsiger Aktivitäten einer verschollenen Kampftruppe, die sich zwischen dem Exerzierplatz und der Domäne der Steinmetze und Arbeiter betätigte. Während behauene Balken knarrend von einem Wagen geladen wurden, erklärte der Kommandant: »Seine Hoheit bestand darauf, daß diese Erfahrung die Soldaten mancherlei Feinheiten lehren würde, die uns bei zukünftigen Belagerungen zugute kommen könnten. Du hättest die Gesichter der Söldner sehen sollen, als sie erfuhren, daß sie zumindest zeitweise den Anordnungen der Steinmetze gehorchen sollten.«
»Und, haben Sie es getan?« fragte Talith mit gehässigem Blick.
Diegan lachte sonderbar erbittert. »Unter Lysaer? Er hat eine wahre Gabe.« Er wich einer frei herumlaufenden Ziege und einem Handkarren aus, der bis obenhin voll mit trockenem Mörtel war, und zog rasch den Kopf ein, als eine schlampig mit roten Bändern ausstaffierte Frau ihm einladend zuwinkte. »Für unseren Prinzen würden sie fröhlich pfeifend die niederste Arbeit eines Stallburschen verrichten. Selbst deine Zunge wäre nicht zu zart, den Rost von meinem Kettenhemd zu lecken, so sauber ist es.« Während ein Rudel junger Rekruten dumpf starrend mitten auf dem Fußweg stehenblieb, ergriff er mit der von einem Panzerhandschuh verhüllten Hand den Ellbogen seiner Schwester und führte sie mit festem Griff zu dem größten Holzgebäude des Lagers. »Mach dir über diese Anfänger keine Gedanken. Unsere erfahrensten Truppen sind zu einem Feldzug aufgebrochen.«
Auf Taliths überraschten Blick hin, ging Diegan bereitwillig näher auf das Thema ein. »Die Handelsstraßen an der Südküste des Landes werden im Winter nicht geschlossen, und die Straße durch den Caithwald wird ständig von plündernden Barbaren heimgesucht. Unsere Soldaten werden abgehärtet, und unsere Schatztruhen mit einem Obolus aus den Profiten der Händler gefüllt, wenn diese ihre Waren am Ziel verkauft haben, und die Gilden selbst kommen für die Marschverpflegung unserer Truppen auf.«
»Wie unglaublich feinsinnig und öde.« Aus Gewohnheit hob Talith ihren schmutzigen Rocksaum an, als sie über die besandeten Planken zum Eingang des Bauwerks hinaufstieg. »Und der Prinz ist natürlich mit ihnen in den Kampf gezogen?«
»Nein, das ist er nicht. Ich dachte, ich bringe dich zu ihm.« Aufmerksam, angesichts ihres giftigen Zornes, schlug Diegan mit einer pikanten Herausforderung zurück. »Vielleicht sollte ich dich aber doch auf direktem Wege nach Erdane zurückschicken, ohne daß ihr euch auch nur gesehen habt.«
Talith wehrte sich gegen seinen Griff.
»Warum bist du hier, Schwesterlein?« Direkt und offen, wie sie ihn noch nie zuvor erlebt hatte, blickte Diegan ihr ins Gesicht, als würde er einen Feind einschätzen wollen. »Bist du gekommen, seine Hoheit fallenzulassen?«
Hinter Taliths oberflächlichen Lächeln verbarg sich wilde Rage. »Du wirst wohl abwarten müssen.« Die Kavaliere Etarras hätten sie bei lebendigem Leibe verspeist, wären ihre Gedanken je so leicht durchschaubar gewesen.
Für einen Augenblick zögerte Diegan, die gespreizten Finger flach auf ein schmuckloses Türblatt gelegt. Dann stieß er die Tür auf und zog sie hinein, und das Licht, das er gleich hinter ihr wieder aus dem Inneren des Gebäudes bannte, ließ seine Zähne für einen winzigen Moment scharf aufblitzen. Gefangen, irgendwo zwischen herzhaftem Gelächter und ebensolchen Flüchen, sagte er: »Geliebte Schwester, verlaß ihn, wenn du dazu fähig bist.«
Verunsichert durch diese Reaktion, die sich nicht interpretieren ließ, stemmte sich Talith gegen die Hand in ihrem Rücken, die sie durch einen düsteren Korridor schob. »Diegan, warte. Wir sollten uns zuerst unterhalten.«
Stur beschleunigte Diegan seine Schritte. »Wenn du gekommen bist, dein Ehegelübde zu brechen, dann tu das, um alles in der Welt. Ich werde dir gewiß nicht im Wege stehen.«
Das Aroma von Wachs und feuchten Rössern belebte die Schatten in dem düsteren Korridor; der wollene Teppich war sauber, wenn auch naß von den Stiefeln der vielen Männer, die auf ihm den Schnee zurückließen, den sie unter ihren Sohlen hereingetragen hatten. Die Bretter unter dem Läufer waren verlegt worden, ehe sie
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