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Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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ehrfürchtigen Konzentration, mit der der Page einen neuen Versuch wagte, preßte Talith die Fingerspitzen an ihre Lippen, als Lysaer s’Ilessid sich aufrichtete.
    Das Licht ließ sein Haar wie Blattgold aufleuchten. Von dem gröberen Schein der Kerzenflammen aus dem Dunkel gerissen, barg sein ernsthaftes Gesicht eine überirdische Schönheit, der keine Erinnerung jemals gerecht werden konnte. Der überwältigende Anblick der kobaltblauen Augen traf sie wie ein physischer Schock. Der kurze Augenblick, in dem Lysaer ihre Gestalt mit Blicken maß, reichte vollkommen, ihr auch den letzten Atem zu rauben.
    Seine Hoheit, der Prinz von Tysan, trug nicht die derben Gewänder, die sie erwartet hatte. Statt dessen erstrahlte er unter goldenen Beschlägen und einer Kette, in die Perlen und kleine Saphire eingearbeitet waren. Stulpen und Kragen waren aus feinster Damaszenerseide, und sein Wappenrock, gefertigt aus edelstem Samt, sah so fein aus, als wäre er aus dem Schatten einer Schneeverwehung geschnitten worden. Von Kopf bis Fuß ein prachtvoller Anblick, blieb er für den Zeitraum eines einzigen Herzschlages wie erstarrt stehen.
    Dann plötzlich belebte ein blendendes Lächeln seine Züge und ließ sein Gesicht liebevoll strahlen. »Liebste Talith!« Mit einer fließenden Bewegung sprang er über den Tisch. Während die Kerzen im Luftzug flackerten, streckte er die Arme aus und berührte sie, umarmte sie weit schneller, als es ihr lieb sein konnte.
    Mit der Kraft seiner Muskeln, die sich unter den weichen Gewändern verbargen, hob er sie hoch in die Luft, wirbelte sie herum und setzte sie dann wieder ab. Talith war hingerissen, ja, gänzlich entflammt von der Glut seiner lebendigen Hitze. Sie fühlte seinen beschleunigten Herzschlag, als er seine Finger in ihren feuchten Hermelinkragen grub und ihr mit sengenden Lippen einen Kuß auf die Stirn drückte. »Du bist genau die Person, die zu sehen ich mir von Herzen gewünscht habe, meine Geliebte. Meine Nachricht hätte dich mit dem nächsten Boten erreicht, denn gestern wurde unser Hochzeitstermin festgelegt.«
    Während ihr Zorn in Trümmer fiel, kam Talith keuchend wieder zu Atem. »Was?«
    »Wir werden heiraten, sobald die Orchideen blühen.« Lysaers Blick verzehrte sie, und er wußte sich den Vorteil zunutze zu machen, den ihm ihr sprachloses Staunen einbrachte.
    ›Verlaß ihn, wenn du dazu fähig bist‹, hatte ihr Bruder gespottet.
    In den starken Armen des Prinzen, verbunden mit ihm in einem leidenschaftlichen Kuß, erschienen die herausfordernden Worte völlig bedeutungslos. Als stünde sie unter dem Einfluß einer Droge oder eines Zaubers, fühlte Talith, wie ihr Widerstand dahinschmolz wie Wachs auf heißer Flamme.
    Als der Kuß endete, war sie wie von Sinnen.
    »Bei Ath, du hast die Pässe überquert. Kein Wunder, daß du so mager bist. Die Reise muß furchtbar gewesen sein.« Stetig plaudernd führte Lysaer sie zu einer der gepolsterten Bänke. Mit dem gleichen allumfassenden Charme schickte er seinen Pagen davon, Glühwein und Kerzen aus der Backstube des Lagers herbeizuschaffen. Dann, während sie noch immer von seiner Nähe berauscht war, ergriff Lysaer, der Prinz von Tysan, ihre beiden Hände und kostete das Aroma ihrer Haut.
    Nun erst bemerkte sie die Narben und Schwielen, die Schwerter, Lanzen und Zügel hinterlassen hatten, die vielsagenden Spuren der Ermüdung in seinem Gesicht. Wie der bläuliche Schimmer geschmiedeten Stahls lag der Stempel kalter Entschlossenheit auf seinen attraktiven Zügen.
    Und wie das erste Eis den Fluß klaren Wassers hemmen kann, meldete sich sein Verstand zu Wort und trübte seine Freude. »Meine Liebe, du bist wirklich wundervoll. Gewiß sind selbst meine besten Offiziere vor Wände gelaufen, weil sie ihre Blicke nicht von dir lösen konnten. Aber was hat dich nur dazu veranlaßt, Erdane zu dieser Jahreszeit zu verlassen?«
    Talith fehlte die Kraft, eine Antwort zu formulieren; dann, als die nasale Stimme Pesquils von draußen erklang, gab es keinen Grund mehr für sie, sich irgendwelcher Worte zu bedienen.
    Lysaer sprang auf. Indigoblau funkelten seine Juwelen in der Finsternis, während die Kerzen in dem Luftzug, den der Prinz durch seine hastige Bewegung verursacht hatte, wild flackerten und unheimliche Schatten kreierten. Nun, da seine Freude einem unruhigen Stirnrunzeln gewichen war, riß der Prinz die Tür zu seinem persönlichen Studierzimmer weit auf.
    Zurückgelassen, doch nicht vergessen, von Lysaers Charme

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