Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
die letzten Reste männlicher Glut zu dämpfen, als er die Seife in der Faust zu Brei zerquetschte. »Das werde ich nicht.«
Talith hielt seinem Blick stand, sah ihm direkt in die Augen, doch ihre Lippen zitterten kaum wahrnehmbar.
Als hätte er einen Tritt in die Eingeweide erhalten, erkannte Pesquil, daß Liebe der Grund für ihre Tat war. Diesem Motiv hatte er nichts entgegenzusetzen. Nur ihr Tod würde ihn noch vor ihren Umtrieben schützen können.
In diesem Moment ertönte ein Pochen an der verschlossenen Tür.
»Der Diener ist gekommen, Euch die Bartstoppeln abzumähen«, sagte Talith mit einem Ton bösartigen Triumphes. »Man wird uns beide denunzieren und der Stadt verweisen, denn ich übe unbestreitbar einen schlechten Einfluß aus.«
Pesquil mußte zugeben, daß sie die Wahrheit sprach, als ihre beiden leichtsinnigen Komplizinnen nun vor der letzten, ungeheuerlichen Untat zurückschreckten.
Lysaers zukünftige Frau überließ den ausgeweideten Schrank sich selbst und wand den Schlüssel aus den verkrampften Fingern eines der Mädchen. Dann drehte sie ihn im Schloß und riß die Tür weit auf. Wie eine Katze, die eine Maus in ihren Krallen hält, beobachtete sie die Reaktion des Pagen auf dem Flur, der, vor Überraschung keuchend, entsetzt zurückwich.
»Wie Ihr seht, habe ich die Bettwäsche nicht angerührt«, sagte sie, ehe sie ein letztes, überaus zufriedenes Gelächter ausstieß.
»Gnädige Frau Talith!« knurrte ihr männliches Opfer, vor Zorn mit den Zähnen knirschend. »Ich werde dafür sorgen, daß Ihr Euch im Sattel genug Schwielen zuzieht, um Euren Tod zu betteln, in dem verzweifelten Wunsch, den Schmerzen zu entgehen!«
Dann, als der Page Schüssel und Rasierer fallenließ und davonstürzte und die Töchter ihre Mitverschwörerin umarmten und ihr eine sichere Reise und ein langes Leben wünschten, schleuderte Pesquil die Seife zum Fenster hinaus, dorthin, wo schon seine gestohlene Kleidung entschwunden war. Gefangen im lauwarmen Mißbehagen seines Bades, schloß er, daß ein Prinz, der wahnsinnig genug war, eine hochwohlgeborene Etarranerin zu ehelichen, es wohl verdiente, an der häuslichen Front die leibhaftige Hölle zu erleben. Damit wurde der Herr der Schatten zu einem guten Grund für einen leidenden Ehegatten, fern der Heimat einen blutigen Krieg zu führen.
Lysaer würde die Gewalt brauchen, um nicht den Verstand zu verlieren, wenn diese schamlose Xanthippe erst sein Bett teilte und beständig damit beschäftigt sein würde, ihre stählernen Klauen in seine Lebenskraft zu bohren.
Das erste Geräusch, was die Besucher der neuen Stadt des Prinzen vernahmen, war der süße Klang der Schmiedehämmer, der die Luft zwischen den kahlen Ästen der Eichenhaine erbeben ließ. Ausgezehrt von der langen, anstrengenden Reise, des steten Schmatzens der Hufe in der dünnen, frostigen Schicht späten Schnees müde, schob die gnädige Frau Talith die pelzbesetzte Kapuze zurück, die ihr Sehfeld eingeengt hatte, als Pesquils Reiterzug professioneller Kopfjäger die letzte Kuppe erklommen und die letzte Schlucht passiert hatte.
Vor ihr, am Horizont, traf die eisige See auf einen Himmel, der an schmutziges Eis erinnerte. Möwenschwärme bevölkerten die Dünen, die die Seebrise mit einer Salzkruste überzogen hatte. Die unfertigen Mauern der Stadt beherrschten eine hohe Hügelkuppe, umwabert vom Rauch der Ziegelbrenneröfen und geprägt von geschäftigem Treiben, so lebhaft wie in einem Ameisenhaufen.
Vom steten Wind gerötet, das seidige Haar nurmehr spröde unter ihrem Mantelkragen verborgen, betrachtete Talith das Durcheinander aus Lagerschuppen und die gekrümmte Holzkonstruktion des Offizierscasinos, blinzelte in das Sonnenlicht, das durch die aufgerissene Wolkendecke herniederschien und die zerfaserten Umrisse von Befestigungsanlagen, Splitterschutzwänden und Wachtürmen umrahmte. Im Inneren der bienenwabenartigen Anordnung teilfertiger Bauwerke erhob sich ein einzelner Turm, der beinahe fertig war. Nur das Netzwerk der Dachbalken streckte sich noch ohne Ziegeln dem Himmel entgegen. Von Ferne erklangen die Schläge von Ochsenpeitschen, flatterten Flaggen geräuschvoll im Wind, während das Quieken eines Hausschweins, das zum Schlachten festgebunden wurde, gemeinsam mit den Trompetenstößen eines Offiziers über das Tosen der Brandung hallte.
Trotz der rauhen Witterung fanden auf dem Exerzierfeld Übungen statt. Angeführt von einem berittenen Offizier, wurde auf dem
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