Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
studierte.
Ein kaum wahrnehmbares Zittern befiel seine Hände, ehe er die Finger krümmte, schloß und schließlich die Fäuste an die Stirn preßte.
Behutsam ob des kaum wahrnehmbaren Risses in seinen Selbstschutzmechanismen, rührte sich Elaira nicht von der Stelle. Etwas hatte seine magische Wahrnehmung verwirrt. Von ihrem Instinkt gewarnt, daß jedes unvorsichtige Wort ihn sogleich dazu treiben würde, sie abzuwehren, wagte sie kaum zu atmen.
Die Betroffenheit, die sich hinter ihrem Schweigen verbarg, teilte sich ihm so oder so mit.
Nach nur einer Sekunde blickte Arithon zu ihr auf, mit abwesendem Blick, während sein schwarzes Haar vom schmerzhaft festen Druck seiner Finger an die feuchte Stirn gepreßt worden war. »Ihr wißt es, nicht wahr?« fragte er abwehrend und in anklagendem Ton.
Elaira stellte ihren Korb zu Boden. Mit den gleichen sanften Bewegungen, wie sie ein Imker zu nutzen pflegte, wollte er den Bienen ihren Honig stehlen, ließ sie sich neben ihm auf der Wiese nieder und zog ihr schlammverkrustetes Kleid um ihre Füße. Ein Regenpfeifer verließ laut um Aufmerksamkeit zwitschernd sein Nest, während hoch über ihren Köpfen ein schwarzer Geier seine Kreise zog.
»Ich habe zumindest vermutet, daß irgend etwas nicht in Ordnung ist«, gestand sie nach einer Weile. »Gemeine Nachtschattengewächse enthalten Gifte und Narkotika. Als Heilmittel kann ein Extrakt für die Augen dienen, für das Herz oder um die Koliken eines Kindes zu lindern. Doch es gibt keinen besonderen Anlaß, es näher zu erforschen, soweit ich es beurteilen kann.«
Ein kaum wahrnehmbares Lächeln ließ seine Mundwinkel zucken. »Was seid Ihr doch für eine spitzfindige junge Dame«, sagte er, beschloß aber, den Schmerz, der sich so nahe der Oberfläche gezeigt hatte, nicht mit ihr zu teilen. Ihr Ellbogen, mit dem sie sich am Boden abstützte, ruhte gleich neben seiner Hüfte. Wie stets machte er auch jetzt keine Anstalten, ihr auszuweichen; vorsichtig wie er war, berührte er sie aber auch nicht. Er achtete jederzeit akribisch darauf, seine Distanz keinesfalls, auch nicht durch einen Zufall zu gefährden.
Seine Barrieren einzureißen, wie es Jinesse getan hatte, wäre auch in diesem Fall ein schwerwiegender Fehler. In dem zurückhaltenden Schweigen fühlte Elaira die verborgene Klage. Unbeabsichtigt hatte er sich ein wenig zu sehr geöffnet. Das Wohlbehagen, das ihm ihre Gesellschaft verliehen hatte, hatte die Mauern zu einer Schutzzone zermürbt, die aufzugeben er nicht die Absicht hatte.
Bevor er die Gelegenheit wahrnehmen konnte, sich mit einer höflichen Floskel davonzuschleichen, bedachte Elaira ihn mit einem schiefen Grinsen. »Was war das für ein Krawall heute morgen auf dem Feld?«
Für eine Sekunde weiteten sich die grünen Augen mit einem Ausdruck der Überraschung. Dann brach Arithon erleichtert in ein explosives Gelächter aus. »Dakar. Was sonst? Wir haben einen blinden Seiler mit einer giftigen Zunge angeheuert. Die Arbeiter haben einen Wettbewerb für Schmähungen veranstaltet, und der Gewinner durfte sich eine lustige Strafe ausdenken.«
Elaira strich sich das verklebte Haar aus dem Nacken und löste ihren Zopf, um ihn neu zu flechten. »Und Dakar hat verloren? Wie hat er büßen müssen?«
Den Blick bewundernd auf ihre dunklen Locken gerichtet, die im Sonnenlicht kupferrot aufleuchteten, legte Arithon das Kinn auf seine Hände. »Der alte Ivel hat mit den Burschen gewettet, daß Dakar zu fett wäre, sich in ein leeres Teerfaß zu quetschen. Dakar hat es doch geschafft, schließlich wollte er das nicht auf sich sitzen lassen. Aber als dann seine Arme eingeklemmt waren und er die Männer bat, ihm herauszuhelfen, hat ein wagemutiger Schreiner den Deckel auf das Faß gelegt und festgenagelt. Danach haben sie ihn im Garthsee treiben lassen.«
»Haben Jinesses Zwillinge ihn herausgefischt?« erkundigte sich Elaira vor Lachen keuchend.
»Nein.« Arithon wischte sich die Tränen aus den Augen und schnappte nach Luft, um ihr eine Antwort geben zu können. »Ihr müßt scherzen. Feylind würde vermutlich laut jubeln, wenn er ertränke, und Fiark würde sein Grab mit Kieselsteinen bewerfen. Dakar hat so lange geschrien und sich gegen das Faß gestemmt, bis die Latten nachgegeben haben und Wasser eingedrungen ist. Die alten Männer, die stets auf der Terrasse des Gasthauses auf der faulen Haut liegen, haben ihn schließlich mit einem Netz herausgefischt und das Faß angestochen. Aber er mußte ihnen als
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