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Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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wappnen, so waren es die Tränen in ihren Augen, die ihn zu einer anderen Handlungsweise bewogen.
    »Warum macht Ihr meine Sorgen zu den Euren?« Die gemaserten, seidigen Eichenblätter erbebten, als er einen Schritt auf sie zutrat. Gleich faserigen, glänzenden Fäden spielte der Mondschein, der durch das Laub herniederdrang mit seinem Gesicht, strich über seinen Wangenknochen und sandte sein Licht dann wie ein substanzloser Geist über den langen Ärmel und die schmalen Finger einer Hand.
    »Das habe ich nicht wirklich getan«, entgegnete Elaira trocken. »Das ist nur eine fest verwurzelte schlechte Angewohnheit, so wie einen Vogel mit gebrochener Schwinge zu heilen oder eine nasse Spinne aus einem Pferdetrog zu retten.« Nicht willens, einen Vorteil aus seiner angeborenen Empathie zu ziehen, die so kraftvoll war, daß sie ihn zu zerreißen drohte, bedachte Elaira ihn mit einem schwachen Lächeln. »Habe ich Euch je erzählt, was ich als bettelarmes junges Ding getan habe, als ich den Sohn des Statthalters von Morvain dabei ertappt habe, wie er einen Straßenköter in einer kleinen Gasse quälte?«
    »Spitzfindige junge Dame«, sagte er nun wieder soweit besänftigt, sich ihr zu öffnen. »Das habt Ihr nicht.« Nurmehr ein Schatten vor den hauchfeinen Streifen Bodennebels, bückte er sich, schob den Eichenzweig zur Seite und setzte sich ihr zu Füßen. Während die kleinen, südländischen Finken in den Baumkronen raschelten, lauschte er schweigend, als sie ihm von dem Überfall erzählte, der einem Knaben eine verwundete Hand eingebracht und sie die Freiheit der Straße gekostet und in die Obhut der Korianizauberinnen überführt hatte.
    »Die Kräuterhexe, die den Prostituierten Arzneien verkaufte, hat stets behauptet, ich hätte Talent«, schloß sie, die Hände fest um ihre Knie gespannt, während ihr Haar sich wie ein seidiger Strom über die fahlweißen Falten ihrer Leinenbluse ergoß. »Selbst wenn ich gewußt hätte, daß der Amethyst, den ich gerade erst gestohlen hatte, früher einem Magier gehört hatte und übernatürliche Kräfte sein eigen nannte, der Hund hatte furchtbare Angst und war kurz davor, als Krüppel zu enden, und ich war viel zu wütend, mich darum zu sorgen. Ob richtig oder falsch, auf jeden Fall habe ich das Symbol nachgeahmt, daß die Kräuterhexe im Armenviertel benutzte, um jenen Kunden ein Übel anzuhexen, die sie betrogen hatten. Ich erinnere mich, nicht überrascht oder gar erschreckt gewesen zu sein, als das Messer mitten im Flug die Richtung wechselte und sich durch das Handgelenk des Jungen bohrte.«
    Umschmeichelt von der warmen Nachtluft, besänftigt durch Arithons Ruhe, entspannte sie ihre verkrampften Finger und zuckte die Schultern. »Ich bin nur nicht verurteilt und verbrannt worden, weil die Korianizauberinnen angeboten haben, den Knaben zu heilen, sofern sie mich unter ihre Fittiche nehmen durften. Sie sagten, wenn sie nicht eingegriffen hätten, wäre der Knabe nie wieder ganz gesund geworden. Seine Nerven waren durchtrennt worden, doch nicht etwa durch den Stahl, sondern durch einen Schadenszauber, gewirkt aus ungeschliffener Magie.« Sie blickte auf ihn herab. Wie Quarz leuchteten ihre Augen in der Dunkelheit, und der flüchtige Duft, der von ihr ausströmte, vermischte sich mit dem schwereren Aroma der Zedern. »Wenn ich mir das erlauben darf, so glaube ich, ich kann vielleicht ein kleines bißchen verstehen, wie elend Ihr Euch fühlen müßt.«
    Diesen Worten ließ sie ein abgehacktes Husten folgen, das ihr Schaudern verbergen sollte. »Das verfolgt mich noch immer, und ich habe nicht einmal erfahren, ob der Straßenköter davongekommen ist.«
    Inmitten der bewaldeten Hänge schien der Mann zu ihren Füßen in völliges Schweigen versunken und brütete vor sich hin. In der Furcht, womöglich zuviel gewagt zu haben, rief Elaira all ihre Macht herbei und blickte ihn an; und was sie aus der Verschlossenheit und der Neigung seines Kopfes las, war die unendliche Last seines Seins. Schmerzlich sehnte sie sich danach, die Hand auszustrecken, ihn zu berühren, seine Gefühle zu prüfen und zu versuchen, aus diesem einen verwundbaren Augenblick ein Band unzerstörbaren Vertrauens zu wirken. Sie wünschte so sehr, ihn zu berühren, wie sie noch nie zuvor in ihrem ganzen, wenig geachteten Leben etwas ersehnt hatte.
    Doch ihr Instinkt bäumte sich gegen ihre Sehnsucht auf und hielt sie davon ab.
    Ohne recht zu wissen, warum, durchbrach sie sein dumpfes Schweigen und führte

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