Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
das Bett eines Flittchens in Cheivalt geteilt hatte.
Der Bandit in der Kabine fand ein Zündholz und griff nach der aufgehängten Lampe. Das leise Knistern der Funken spickte die unflätigen Rufe der Plünderer, die weiter vorn im Schiff damit beschäftigt waren, Kabinen und Schränke zu durchwühlen. Plätschernd senkte sich die Pfeil in ein Wellental. Die Bewegung trieb den Rauch der Lampe zwischen den stümperhaft zusammengefügten Brettern des Schrankes hindurch. Talith unterdrückte mühsam den Hustenreiz, der ihr die Tränen in die Augen trieb. Dann schlug der Riegel der Tür zurück. Mit einem schrillen Kreischen schwang sie an ihren grünen, verkrusteten Angeln auf.
In dem Bemühen, den Schrei zu ersticken, der reflexartig in ihrer Kehle aufstieg, biß sich Talith auf die Lippe. Zitternd schwor sie sich im Stillen, keinem Mann, der sie berührte, durch die Äußerung ihrer Furcht Genugtuung zu verschaffen.
Doch keine tastenden Finger schoben den Vorhang aus Ölzeug zur Seite. Keine Hand stieß hindurch, kein triumphierender Mann packte die muffige Wolle, um sie bloßzustellen. Nichts geschah. Kein Eindringen, nur ein nervenzermürbender, quälender Zeitraum, in dem die polternden Geräusche der Invasoren leiser wurden und schließlich von ihrem Rückzug kündeten.
Die Sperrhaken der Gangspill polterten auf die Planken, als die Pfeil längsseits mit dem Piratenschiff verzurrt wurde. Talith hörte die vergnügten Rufe der Matrosen, die in den farbigsten Phrasen heiser miteinander wetteiferten, als ein Fallreep dazu mißbraucht wurde, den Abtransport der Beute vorzubereiten, während jemand den Befehl erteilte, die Bugleine zu lösen.
Allem Anschein nach verließen die Piraten die Brigg.
Durch die Enge ihrer wie zugeschnürt schmerzenden Kehle, entfleuchte ein Seufzer Taliths Lippen. Während sie unter dem Einfluß der frischen Luft fröstelte, die durch ihr zerzaustes Haar und über ihre feuchte Haut strich, lauschte sie den leiser werdenden Geräuschen auf Deck. Bald drang nichts außer dem Klatschen der Wellen am Rumpf des Schiffes und dem Knarren der frei im Rhythmus des schwankenden Schiffes hin und her schwingenden Schranktür mehr an ihre Ohren. Kein Eindringling schien sich noch an Bord zu befinden. Schwach nur konnte sie vor dem Hintergrund knarrender Planken und flatternden Segeltuchs das Stöhnen des Kapitäns vernehmen, der gefesselt und geknebelt in seiner Kajüte zurückgelassen worden war.
Die Nachlässigkeit eines Matrosen bei der Suche nach der Prinzessin, schien das Wunder ermöglicht zu haben, daß der Herr der Schatten sich ohne die erstrebte Beute zurückgezogen hatte.
Erschüttert von einer Woge der Schwäche, vermischt mit den ruhelosen Bewegungen der Magd, die atemlos hinter ihr ausharrte, fiel es Talith schwer, die Geduld zu wahren. Sie hielt aus, bis auch der letzte ihrer überanstrengten Nerven aufgab und der Drang, dem stickigen Schrank zu entkommen, übermächtig wurde. Mit beiden Armen die stinkende Wolle von sich schiebend, stolperte sie voran, beseelt von dem blinden Instinkt, sich aus diesem Gefängnis zu befreien.
Zuvorkommend ergriff eine Hand ihren Ellbogen und schützte sie so davor, zu stolpern und auf ihren Knien zu landen. »Ich bin zutiefst erfreut, gnädige Frau Talith«, sagte eine freundliche, wohlklingende Stimme. »Seid willkommen in der Gesellschaft Eures nächsten angeheirateten Verwandten.«
Von ihrem Stolz gepackt, richtete sie sich ruckartig auf. Mit vor Zorn glühenden Augen blickte Talith den vor Selbstbeherrschung strotzenden Prinzen, der ihr aus der Zeit der Tumulte, welche die fehlgeschlagene Krönung begleitet hatten, noch allzu gut in Erinnerung war.
»Ihr!« Sie riß sich los. »Zauberer! Schmutzfink! Wieviel Magie war nötig, meine Anwesenheit auf diesem Schiff zu offenbaren?«
»Meine Liebe!« sagte Arithon, und seine Stimme troff vor jenem beißendem Sarkasmus, den er wie eine Rüstung zu tragen pflegte; dann aber lachte er. »Wozu die Zeit mit Zauberei vertändeln? Dieser Auerhahn von einem Kapitän wird kaum Truhen voller Seidenkleidung mit herumschleppen. Auch gibt der Talghandel nicht genug Gewinn her, den Matrosen zu erlauben, mit Damenschmuck um sich zu werfen. Und gewiß tragen sie keinen Rosenduft.« Mit diesen Worten drückte er ihr die zerrissenen goldenen Kettenglieder in die Hand, die sie bei dem Zusammenstoß mit dem Riegel verloren hatte.
»Dieses Schiff segelt unter der Flagge von Cheivalt«, schleuderte ihm Talith
Weitere Kostenlose Bücher