Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
Wolle. »Ganz gewiß würde niemand ein solches Risiko für ein paar Fässer Schnaps auf sich nehmen. Nicht, daß ich ihn vermissen würde. Die diebischen Drückeberger haben so oder so nicht viel davon übriggelassen.«
»Mein Gemahl hat Feinde«, widersprach Talith, den Kopf hoch erhoben, während sie sich bemühte, trotz der unter dem Anprall einer heranrollenden Woge schwankenden Planken der Pfeil das Gleichgewicht zu halten.
Durch den schrägen Blick ihrer bernsteinfarbenen Augen strich der Kapitän mit verhaltenem Atem sein Wams glatt. Die glattgezogenen Knitterfalten über seinem mächtigen Bauch verschwanden zugunsten des zerknautschten Stoffes unterhalb seines Gürtels, der zwar keineswegs ordentlicher wirkte, aber zumindest außerhalb seines Blickfeldes war, als er schnaubte: »Diese Gewässer sind Hoheitsgebiet König Eldirs, und Havish ist streng neutral. Der Herr der Schatten und seine Anhänger werden es kaum wagen, ein Schiff in ihre Fehde zu verwickeln, daß unter der Flagge Cheivalts segelt.«
Er irrte sich, und Talith konnte das bar jeden Zweifels spüren. Das näherkommende Schiff zeigte sich in der ganzen Pracht seiner voll geblähten, lohbraunen Segel und eines Rumpfes, so schmal wie der einer Wespe. Wie ein Falke schoß das fremde Schiff genau auf die einsame Brigg zu.
Während eines langgezogenen, ungestümen Seufzers kaute der Kapitän auf seinem Barthaar. »Das klingt verrückt. Wer würde schon für ein paar Kisten mit Kerzen töten?« Dennoch gab er mürrisch Anweisung, die Armbrüste aus dem Lagerraum zu holen, die zunächst von ihren fadenscheinigen Hüllen befreit werden mußten. Der erste Maat hatte kaum seine Matrosen von ihrer Flickarbeit aufgescheucht, sich zu bewaffnen, als sich Dunkelheit, geräuschlos und von undurchdringlicher Schwärze, über das Schiff senkte.
Der erste Maat schrie vor Furcht, und an Deck brach die Hölle aus.
Dem Zweimaster war bei der Wahl seines Opfers keineswegs ein Irrtum unterlaufen. Bedrängt von Schatten und todbringender Magie, flüchtete die Pfeil durch die Finsternis wie eine flügellahme Taube vor einer räuberischen Schlange. Der Moder auf den Truhen, in denen die Armbrüste gelagert wurden, bewies deutlich, wie selten sie hervorgeholt wurden. Nicht einmal der Rost auf ihren Verschlußhebeln wurde regelmäßig entfernt. Ohne jede Hoffnung, sich des Enterns erwehren zu können, erfüllt von der Furcht, als Preis in einem furchterregenden Wettstreit mißbraucht zu werden, ergriff Talith die einzige Chance, die ihr nun noch blieb. Sie mußte sich verstecken und darauf hoffen, daß die flegelhafte Mannschaft der Pfeil die Angreifer allein durch ihre Inkompetenz davon zu überzeugen vermochte, daß es auf ihrem billigen Frachtkahn nichts von Bedeutung gab.
In dem wilden Lärm furchtsamer Schreie und davonlaufender Füße, erteilte die gnädige Frau Talith ihrer Leibgarde Anweisungen: »Zieht eure Wappenröcke aus und legt die Waffen ab. Gebt vor, ganz gewöhnliche Seeleute zu sein, wenn der Herr der Schatten uns entert. Und sorgt dafür, daß niemand meine Anwesenheit erwähnt.«
»Geh«, sagte ihr Hauptmann zu dem nächststehenden Gardisten. »Suche die Dienerschaft ihrer Hoheit und weise sie an, ebenso zu handeln.« Ein letztes Mal drückte er ermutigend den Arm der Prinzessin, ehe sie davonging, sich ihren Weg unter Deck zu ertasten.
Zwei Matrosen prallten mit ihr zusammen, ehe sie endlich das Deck überquert hatte. Zerzaust und atemlos biß sie sich vor Zorn die Lippe blutig. Schließlich tastete sich Talith über die Kajütstreppe an achtern unter Deck. Ihre Gardisten waren gut ausgebildet, aber noch sehr jung. Lediglich fünf gestandene Söldner, die sie unter größten Vorsichtsmaßnahmen in Havish angeheuert hatte, verstärkten ihre Ränge; auch sie stellten für den Herrn der Schatten bei einem Überfall gewiß kein nennenswertes Problem dar. Sie fürchtete sich davor, diese Männer in ihrem Namen sterben sehen zu müssen, obgleich doch die einzig erfolgversprechende Taktik die war, sich zurückzuziehen und zu beten, daß die Flegel, die an Bord kamen, sie zu suchen, nicht weiter als bis zu den Rumfässern im Lagerraum kommen würden.
Talith kämpfte sich bis zu ihrer Kabine durch. Rasch löschte sie die Lampen, wobei sie sich unzählige blaue Flecken und Prellungen zuzog, als der Steuermann der Pfeil sein Ruder im Stich ließ. Die Brigg schlingerte auf den Wogen und kam vom Kurs ab. Das Klappern hastiger Schritte und die Flüche der
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