Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
keineswegs gebannt, aber ausgesprochen amüsiert – näherte sich das Abbild des Zauberers Kharadmon mit den gewandten, entschlossenen Schritten eines Duellanten.
Von schmaler Statur, ausgestattet mit durchtriebenen Gesichtszügen und einem spitzbübischen Gewand, einem geschlitzten, gegürteten Wams, strich er sich mit den schlanken Fingern über den spatenförmigen Bart wie ein Advokat, der sich bereitmachte, dubiose Beweise vorzulegen. »Wäre ich eine Fledermaus oder ein Maulwurf, so wäre ich nun eindrucksvoll geblendet. Da ich das jedoch nicht bin, könnt Ihr nun damit aufhören. Sollte es im Palast des Statthalters Küchenschaben geben, so habt Ihr sie bereits jetzt so sehr geängstigt, daß sie sich in die tiefsten Löcher verzogen haben dürften.«
Endlich kam Lysaer wieder zu Sinnen, und er dämpfte den Strom seiner Gabe. Zu beherrscht, Verlegenheit zu zeigen, viel zu verärgert, sich zu entschuldigen, besann er sich der Diplomatie seiner Vorfahren, statt zuzulassen, daß der Ärger sich auf sein Verhalten niederschlug. »Eure Neigung zu dramatischen Auftritten ist unübersehbar. Kann ich davon ausgehen, daß Ihr wichtige Nachrichten mit Euch bringt?« Sein Schwert füllte die nun eintretende Pause mit einem metallischen Kreischen, als er es zurück in die Scheide schob.
Kaum war das Schwert verschwunden, schlug Kharadmon zu. »Eure Ankunft in Merior ist auf ein zurückhaltendes Willkommen gestoßen.«
»Jedenfalls ist niemand zu Tode gekommen«, sagte Lysaer mit samtweicher Stimme. »In einer Stadt, die einem Kriminellen Zuflucht gewährt hat, sollten sich die Menschen dankbar für meine Zurückhaltung zeigen. Falls Ihr als ein Bote der Bruderschaft geschickt worden seid, so wäre ich Euch verbunden, wenn Ihr zur Sache kämet.«
So unempfindlich gegen Kränkungen wie ein Karpfen in seinem Teich, zog Kharadmon lediglich mit überheblicher Miene eine wohlgeformte Braue hoch. »Ihr habt Euch ein beachtliches Gefolge zu schaffen vermocht, seit Ihr Eure Stadt einfach sich selbst überlassen habt.«
»Nur weiter.« Mit strahlendblauen Augen verfolgte Lysaer das Abbild des Zauberers. Der feste Griff, mit dem er das Heft seines Schwertes umspannte, legte Zeugnis von seiner Beherrschtheit ab, und die Reflexionen des Kerzenscheins auf seinem weizenblonden Haar bewegten sich kaum. »Ihr klagt mich also an, Tysan zu vernachlässigen?«
»Ich erkläre Euch für schuldig«, berichtigte Kharadmon trocken. »Während Ihr Eure Hunde scharfmacht, den Leoparden zu jagen, hat Euer erwähltes Opfer im Hühnerstall geräubert.«
»Das sind allerdings Neuigkeiten.« Lysaer trat einen halben Schritt zurück, löste den Griff um das Heft seiner Waffe und ergriff mit beiden Händen die Balustrade hinter seinem Rücken. Wenn auch nicht das geringste Beben sein maßgefertigtes Wams beunruhigte, kündete seine Haltung doch von der Gewalt eines Lavastroms unter einer oberflächlichen Eisschicht. »In den letzten Botschaften wurden keinerlei Widrigkeiten erwähnt.«
Mit tadelnder Miene erklärte Kharadmon: »Die, die Euch interessieren sollte, hat Euch noch nicht erreicht.«
Er hielt inne, um jene Haltung scheinbarer Beherrschung auf die Probe zu stellen, die so sehr an Halduin, den Begründer des Geschlechts derer zu s’Ilessid, erinnerte.
Lysaer ergab sich der Sorge nicht. Nur einmal blitzte die saphirbesetzte Amtskette über seinen Schultern auf, und die Juwelen funkelten frostig vor dem Hintergrund nachtblauen Samtes im tiefen Schatten.
Als Kharadmon seinen vernichtenden Schlag austeilte, empfing er die Neuigkeiten in starrer Schweigsamkeit. »Arithon s’Ffalenn hat eine Handelsbrigg namens Pfeil geentert, die geheuert war, Eure Gemahlin gen Süden zu bringen. Offensichtlich hat sich die Prinzessin in Eurer Abwesenheit gelangweilt. Eure Briefe haben Euren Aufenthalt in Alland wohl als so ruhig und friedlich dargestellt, daß sie glaubte, es wäre ungefährlich, Euch einen überraschenden Besuch abzustatten.«
Röte überzog Lysaers Wangen. Seine Brust geriet in Bewegung, als die Lungen ihren unterbrochenen Atemrhythmus wieder aufnahmen. Der Augenblick, in dem die Gerechtigkeit derer zu s’Ilessid zu feurigem Leben erwachte und zu einem Schild für den Einfluß der Magie Desh-Thieres wurde, offenbarte sich dem Auge des beobachtenden Zauberers in aller Klarheit.
Endlich ergriff der Prinz wieder das Wort, und seine Stimme war so scharf und klar wie geschliffener Quarz, ungetrübt von Kummer oder Leidenschaft. »Sie
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