Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
frei von solch mörderischer Mühsal wäre. Kinder würden nicht mehr durch mangelnde Ernährung verkrüppeln. Keine Lämmer mußten mehr an Salzmangel oder unbehandelten Wunden jämmerlich zugrunde gehen, nur weil es an Heilern und Arzneien fehlte. Dakar schrieb Berichte und Vereinbarungen nieder und war noch immer nicht fähig zu bestimmen, ob dieser Schachzug ein Zeichen fürsorglicher Milde oder eines unübertrefflichen Genies war.
»Das Weideland in den Niederungen ist gut genug für Vollblutpferde«, sagte Arithon. In dem groben Mantel aus safrangelber Wolle kaum mehr als eine Silhouette im flackernden Schein der Talgkerzen, die in tönernen Schalen brannten, lieferte er den Menschen eine detaillierte Beschreibung seines Vorhabens. »Die Nomaden in Tysan züchten die besten Pferde. Wir können Zuchttiere importieren und uns von ihnen das Wissen über die Zucht vermitteln lassen.« Er mußte nicht hinzufügen, daß der drohende Krieg den Bedarf an edlen Schlachtrössern vervielfachen würde.
Im Sternenschein ging die Zusammenkunft zu Ende. Als sich ihm eine Alte mit schlohweißem Haar und heftigen Vorbehalten in den Weg stellte, gab sich Arithon für einen Augenblick der eigenen Unsicherheit hin. »All Eure Furcht ist nur allzu berechtigt, Großmutter. Um die Ziele zu erreichen, von denen ich gesprochen habe, müssen wir erst einmal die Schlacht gewinnen, und kein Tal in ganz Vastmark wird frei von der bewaffneten Bedrohung durch Lysaers Armeen sein, solange sein Heer nicht bezwungen ist.«
»Unsere Sippschaften könnten zerschlagen werden«, sagte die alte Frau, und ihr heiserer Tadel vermischte sich mit dem Summen nachtaktiver Insekten, während ihr Blick so anklagend wie das letzte Gericht des Dharkaron auf Arithon ruhte.
Unerschütterlich wie ein Felsen lieferte ihr der Prinz von Rathain die reine Wahrheit, und so sehr Dakar sich auch bemühte, er konnte doch nicht den geringsten Makel in den aufrichtigen Worten des Meisterbarden finden.
»Wir könnten verlieren«, sagte Arithon, während er die dürren Finger der Alten mit den Händen umfaßte und sich in flehentlicher Demut übte. »Wenn das geschehen sollte, so kann ich Euch garantieren, daß ich tot sein werde. Nicht allein die Sippen in Vastmark werden leiden müssen. Die Gefahr, die sich hinter dem Fluch verbirgt, ist die eigentliche bedrohliche Macht des Nebelgeistes, der entgegenzuwirken ich mit einem Blutschwur gelobt habe. Irgendwo muß ich mein Lager aufschlagen. Die Berge in dieser Gegend können nicht ohne weiteres eingenommen werden, und von allen Menschen in Athera sind Eure Leute die, die eine Veränderung am dringendsten brauchen und, durch ihr hartes Leben, die größten Chancen haben, den Krieg zu überleben.«
Kurze Zeit herrschte Schweigen, nur gestört durch die fernen Schreie eines Wyvernpaares. Schließlich befreite sich die Großmutter aus seinem Griff und ordnete ihre Tücher, um den beißenden Wind abzuwehren, doch noch immer sagte sie kein Wort.
»Unterstützt mich oder laßt es«, ergriff daher Arithon unter ihrem schmachvollen Tadel erneut das Wort. »Ich werde Euch zu nichts zwingen. Selbst wenn es uns gelingt, dieses Heer zu zerschlagen, kann ich nicht mehr erhoffen, als ein Jahr des Aufschubs, in dem ich den Zufluchtshafen suchen werde, den ich weit ab der Küste zu finden hoffe.«
Nicht ein Ton unlauterer Beruhigung kam über seine Lippen, und Dakar erkannte mürrisch, daß der Konflikt hier in Vastmark enden mußte.
Acht Wochen vor der Sommersonnenwende beriet sich Arithon mit Caolle über die Fortschritte, die sie inzwischen erzielt hatten. Der Kriegerhauptmann, dessen Hände nie ohne Beschäftigung zu sein schienen, kauerte neben einem Feuer unter freiem Himmel und polierte sein Kettenhemd. »Es sind gute Leute. Sie werden bereit zum Kampf sein, wenn Ihr sie braucht.«
Der alte Kriegsveteran neigte dazu, seine Unzufriedenheit zu horten und später als Waffe gegen jede Spur selbstgefälliger Haltung einzusetzen. Arithon, der weit zu gescheit war, sich in die Irre führen zu lassen, wartete schweigend.
»Ihr werdet erfahrene Krieger brauchen, um die Reihen zu schließen.« Die Kettenglieder seiner Rüstung klirrten verdrossen, als Caolle den Metallhaufen in seinen gewaltigen Händen umdrehte. »Diese Männer sind unerfahren, und der Krieg ist ein verdammt schmutziges Geschäft. Wyverns erschießen ist eine Sache, aber es ist etwas ganz anderes, wenn das Ziel ein Mann ist, der vor Schmerzen schreit und um Gnade
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