Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
daß dieser ihm frische Kleidung für die morgendliche Audienz bringen möge.
Er hatte keine Wahl.
Herrschaftlich und ehrbar bis auf die Knochen, gab er sich mit dem wenigen Trost zufrieden, den sein Gewissen ihm zubilligte.
Schon in seiner Kindheit hatte er im Angesicht all des Unglücks, daß die s’Ffalenn-Piraten über sein Volk gebracht hatten, gelernt, sich nicht in den Verlusten der Vergangenheit zu suhlen. Anders als sein Vater, dessen Trauer sich in unkontrollierten Zornausbrüchen Luft gemacht hatte, suchte Lysaer seinen Frieden in maßvoller, vernunftbetonter Staatskunst. Mit einem strategisch geschickten Zug mußte es ihm gelingen, aus der Entführung Taliths mehr zu machen als lediglich einen Schlag gegen seine Liebe, sein Herz und seinen Stolz. Wenn er nur beherzt genug handelte, mochte er durchaus einen indirekten Vorteil aus dieser Affäre ziehen können, der sich zukünftig als Stützpfeiler seiner Bemühungen erweisen könnte, die Krone und den Thron von Tysan zurückzuerobern.
Folgte er auf diplomatischem Wege seiner Inspiration, so konnte er noch in diesem Sommer die Ergebenheit eines ganzen Königreiches gewinnen.
Chaos
Während die Königliche Freiheit sich mühsam ihren Weg an der Küste entlang suchte und die Gesandten Lysaer s’Ilessids Gold für das Lösegeld zusammentrugen und Armeen zur Schlacht in Shand aufstellten, hockte der Wahnsinnige Prophet mit dem Kinn auf den Knien auf einem von der Sonne erwärmten Felsen in Vastmark. So klar im Geiste wie der Himmel, der sich kobaltblau über die dichtgeschlossenen Reihen der Berggipfel spannte, gab er sich ganz der gespannten, ruhelosen Analyse Arithon s’Ffalenns hin, während aus den Schäfern unter Caolles erprobter Hand Rekruten wurden. Da die Männer sich naturgemäß auf den Umgang mit Pfeil und Bogen verstanden, konzentrierte sich der clanblütige Kriegerhauptmann darauf, sie Disziplin zu lehren. Von ihm lernten sie die heimtückischen Künste der Tarnung und das Zusammenspiel, ohne das überraschende Angriffe nicht möglich wären.
Dakar erwog alles, was er sah; und gleich dem geschickt manipulierten Blatt eines Falschspielers zog er seine Schlüsse auf verschlungenen Pfaden und glaubte nie dem bloßen Augenschein.
Stumpf wie alte Nägel und weit zu abgehärtet, sich aus der Ruhe bringen zu lassen, erntete Caolle mit seiner rohen, einschüchternden Art rasch Respekt. Sein überlautes Gebrüll hallte von den Hängen wider, als ein unerfahrener Schäfer den Kopf hob. »Bei allen Dämonen, Junge! Versuch das in der Schlacht, und das letzte, was du auf Aths Erde zu sehen bekommst, ist die Pfeilspitze, die sich in dein Auge bohren wird.«
Der Schuldige duckte sich um Haaresbreite zu spät; Caolle schleuderte einen Schiefersplitter in hohem Bogen, und er traf sein Ziel, wie eine Reihe laut hinausgeheulter Flüche deutlich bewies.
Mit zusammengekniffenen Augen vor sich hin brütend, nagte Dakar an den Schwielen, die er sich während der eintönigen Arbeit des Zwirnens von Bogensehnen zugezogen hatte. Kein Geheimnis verbarg sich hinter der rauhen Schale des clanblütigen Kriegerhauptmannes. Seine Fähigkeiten standen außer Frage. Kaum ein anderer konnte sich so vieler Jahre grausamer Erfahrungen und schrecklicher Heldentaten rühmen. Caolle beurteilte die Anwärter und entschied, wen er ausbilden und wen er zu den Herden zurückschicken wollte. Männer und Frauen mußten seinen Ansprüchen genügen, sollte er ihnen den Platz in den Reihen der Söldner nicht verwehren.
Meisterlicher Umgang mit dem Bogen allein reichte für seine Bedürfnisse nicht aus.
Arithon s’Ffalenn verfügte über das Einfühlungsvermögen eines Meisterbarden. Er mußte die Menschen nicht erst schikanieren, um sie richtig einzuschätzen. Durchdrungen von einer überragenden, manchmal verbitterten Auffassungsgabe, gewann er ihren Respekt durch seinen Scharfsinn, aber auch durch wüste Schmähungen, die wie ein Rasiermesser an der Würde ihres Opfers schabten. Er gab sein Wissen über die Heilkünste weiter oder unterstützte Caolle bei den Nahkampfübungen mit Schwertern und Dolchen.
Wie eine Katze, die sich allmählich an ihre Beute heranschlich, erwog Dakar jedes Wort und jede Tat, stets bereit, sich auf jede noch so kleine Unstimmigkeit zu stürzen. Wollte er die Freiheit erlangen, nach der es ihn dürstete, so mußte er unumstößliche Beweise beibringen. Sollte des Prinzen leidenschaftliche Anteilnahme während der fehlgeschlagenen Heilung
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