Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
wickelte.
Dakar stemmte sich wieder hoch und machte sich, das erschlaffte Mädchen in seinen Armen, an den Aufstieg zu dem Pfad auf der Klippe. »Seid Ihr von Sinnen? Sie hat fünf gebrochene Rippen und einer ihrer Lungenflügel ist voller Blut.«
»Ich weiß.« Arithon legte sich den Knaben über die Schultern, packte sein schmales, gesundes Handgelenk und einen Fuß und balancierte sein Gewicht über die letzte Felsenklippe. »Erhalte sie ganz einfach am Leben, bis wir eine Quelle finden. Wenn sie dann noch atmet, dann übe dich in Geduld und versuche, mir zu vertrauen.«
Dakar biß die Zähne zusammen. Der Prinz von Rathain hatte ihn nie um Hilfe gebeten; nie zuvor hatte er seinen unbeirrbaren, königlichen Stolz unterdrückt, um zuzugeben, daß ihm eine andere Gesellschaft als die, stets tadelnder Duldung, willkommener wäre. Asandirs magische Bande verursachten nicht allein dem Wahnsinnigen Propheten ein Gefühl puren Elends, auch Arithon waren sie keineswegs angenehm.
Solchermaßen zu einer Anteilnahme verführt, die einem Selbstbetrug nahekam, quetschte Dakar das erste rüde Wort hervor, das ihm in den Sinn kam. Dann, stur in seinem gewohnten Unglauben befangen, überließ er das Mädchen Arithons bereitwillig ausgestreckten Händen und zog den eigenen plumpen Kadaver über den Rand des Abhangs.
Zwei Stunden später bereitete sich Arithon, auf einer sandigen Fläche nahe einem felsigen Wasserloch, darauf vor, die Umschläge zu erhitzen, um Stichwunden und Schnitte an Ghedairs zerfetztem Unterarm zu behandeln. Die bedrückende Stimmung schien seine Konzentration nicht zu stören. Feucht, bedeckt von grünen Moosflecken, lag die Schlucht zu beiden Seiten von kahlem Felsen begrenzt unter einem schmalen Streifen offenen Himmels. Finster wie der Glanz auf dem Silber eines geizigen Mannes drang das Licht der Sonne durch die Wolkendecke, während eine stete Brise ihr klagendes Rauschen in die Tiefe trug. Weit in der Ferne erklang das Kreischen eines Wyvernpaares in markerschütternder Dissonanz.
Ermattet von dem Gefühl der Nutzlosigkeit, gab sich Dakar an seinem Sitzplatz neben der leise plätschernden Quelle seiner gewohnten Boshaftigkeit hin. Verächtlich forderte er Arithon auf, seine frühere, irregeleitete Hoffnung noch einmal zu überdenken.
»Mit Jilieth geht es längst schon zu Ende.« Mit jedem rasselnden, mühevollen Atemzug schien weniger Luft ihre Lungen zu füllen. Hart meinte der Wahnsinnige Prophet: »Ihr wißt sehr wohl, daß wir nichts weiter tun können, als sie so lange warm und geborgen zu halten, bis sie stirbt.«
Inzwischen war ihr Gesicht gesäubert und mit den Fetzen von Arithons Hemd verbunden. Außerhalb des Verbandes erinnerten die Wimpern ihres gesunden Auges an den ausgefransten Rand zugeschnittener Seide vor dem Hintergrund eines Gesichtes, so bleich, daß selbst die Sommersprossen sich trüb grau verfärbt hatten. Sie auch nur anzusehen, ihre Kinderhände zu erblicken, die dem Leben so weit entrissen waren, daß sie nicht ein einziges Mal zuckten, mußte einen jeden Menschen mit unerträglicher Sorge erfüllen.
Auch der Anblick von Arithons Fingern, die mit geschickten Bewegungen einen Verband um den Umschlag am Arm des Jungen wickelten, war nur wenig tröstlich. Kaum waren die Wunden versorgt, legte der Herr der Schatten Ghedair wieder in seinen Umhang und flößte ihm einen Kräutertrunk ein, bis er schlief.
Dakar konnte es nicht länger ertragen. Das Kind in seinen Armen keuchte am Rande des Erstickens; binnen einer Stunde würde sie dem Rad des Schicksals entrissen werden. Ihre Not fegte seinen Stolz gnadenlos hinfort, bis alle Mißgunst der Welt nicht mehr ausreichte, seinen Groll und sein Mißtrauen noch weiter zu nähren.
Schließlich sagte er zu Arithon: »Wenn Ihr glaubt, sie kann gerettet werden, so sagt mir wie!«
»Einfach gesagt, theoretisch. Die praktische Umsetzung ist schon schwieriger.« Nur eine windumtoste Gestalt in Hose und Hemdsärmeln, wusch sich Arithon die Hände. Wasser spritzte von seinen geröteten Händen in den See, dessen glatte Oberfläche sich kreisförmig kräuselte und die zuvor so klare Spiegelung in ein Labyrinth einzelner Fragmente zerlegte.
Dakar sah sich einem starren, forschenden Blick ausgesetzt, der ihn von Kopf bis Fuß maß, ohne jedoch ein Urteil zu fällen.
»Du hast eine lange Lehrzeit hinter dir«, sagte Arithon endlich. »Ich habe das Ohr eines Meisterbarden, reinen Klang zu erkennen. Wenn du die Magie aufbaust, einen
Weitere Kostenlose Bücher