Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung
dem Hintergrund wehklagender Bogensehnen unterhielten sich die Kundschafter Rathains in gestelztem Stammesdialekt.
Niemand scherzte. Hungrig und halb erfroren warteten sie auf den Einbruch der Abenddämmerung, ehe sie sich im Zwielicht unter den silbrigen Wolken auf den Weg machten. Vor ihnen lagen die gefährlichsten Klippen des Kelhorngebirges, durch die die Soldaten, die mit der Gegend nicht vertraut waren, ihnen nur mit größter Mühe würden folgen können.
Von eisigem Regen gepeinigt, tasteten sich die Männer unter Dakars Führung durch die dahintreibenden Nebelschwaden voran, flankiert von Schäferhunden, deren scharfer Geruchssinn sie frühzeitig vor der Anwesenheit feindlicher Soldaten warnen sollte. Nicht immer konnte das stete Rauschen der abfließenden Wassermassen das Klirren herabrieselnder Schieferscherben oder das Schaben von Sohlen infolge eines Fehltritts verbergen. Bald schon hatte ein Rudel Suchhunde ihre Spur aufgenommen. Dem tiefen, kehligen Bellen der auf die Menschenjagd abgerichteten Mastiffs folgte der schrille Klang eines Horns, ehe die Abrichter der Tiere unter lautem Geschrei ausschwärmten, um die Suche aufzunehmen.
»Skannts Männer«, meldete der Kundschafter der Nachhut, der atemlos nach vorn geeilt war, seine Kameraden zu warnen. »Achtet auf die Umgebung. Er hat bestimmt einen Hinterhalt aufgebaut. Beim Grab meiner Großmutter, ich sage Euch, das ist sein Stil.«
Gleich darauf hallte das Wimmern feindlicher Pfeile von den Felsen wieder, hinter denen sich die Schäfer in Sicherheit gebracht hatten. Jemand fluchte. Sie alle litten unter dem bitteren Gefühl der Aussichtslosigkeit, war es ihnen doch unmöglich, ein Ziel auszumachen, auf das sie anlegen konnten.
Von einem Ansturm neuerwachter Furcht heimgesucht, starrte Dakar in das Dunkel der Nacht. »Sie wollen uns hier festhalten.« Wieder und wieder erhaschte seine magische Wahrnehmung die Aura Lebender jenseits des steten Schleiers ununterbrochener Niederschläge. Während seine Eingeweide vor Ungeduld rumorten, fiel es ihm schwer, das gesetzte Wesen der Steine aufzuspüren. Obgleich auch die Störung durch abfließendes Wasser an seinen Nerven zerrte und ihn mit Unbehagen erfüllte, fuhr er unbeirrt in seinem Bemühen fort, während sich seine Leute am Rand einer windumtosten Schieferplatte aufhielten. Deutlich fühlte er den Scharlachhauch der Blutrünstigkeit ihrer Feinde am Rand des Steilhanges.
»Wir könnten unsere Hunde losjagen, um die Spurensucher aufzuhalten«, schlug einer der Hirten vor.
Dakar schloß die Augen und kämpfte gegen die Benommenheit an, die für einen Augenblick von seinen Sinnen Besitz ergriffen hatte. »Tut das.« Wenn es ihm nur gelang, der Kälte genug entgegenzusetzen, sich zu konzentrieren, so konnte er einen Bann schaffen, Geräusche zu verstärken und Echos hervorzurufen, die die Tiere weit furchterregender würden klingen lassen, als sie tatsächlich waren. Die Hunde würden sich davon kaum täuschen lassen. Aber Männer in finsterer Nacht in einem fremden Land waren gewiß anfällig für alle nur denkbaren nervlichen Erschütterungen. Gegen den vor ihnen liegenden Hinterhalt konnte er hingegen nichts ausrichten. Die Clankundschafter würden ihre Erfahrung im Nahkampf nutzen müssen, um jeden Schritt ihres weiteren Weges mit Gewalt freizumachen.
Caolles Männer sammelten sich zu einer Angriffslinie und glitten gleich darauf in der Dunkelheit den Berghang hinauf. Der Hirte streichelte Hundeschnauzen, murmelte in reumütigem Ton einige Worte in der sanften Aussprache seines Dialekts, betastete die glückverheißenden Talismane an der Halskrause der Tiere, ehe er die innig geliebten Vierbeiner mit dem Kommando entließ, welches sie anwies, Feinde, Wyverns oder Wölfe zu verjagen.
Eifriges Jaulen, hektische Bewegung, der sturmgepeitschte Geruch nassen Fells, und die Schäferhunde rasten auf der Spur zurück, die sie gekommen waren. Während das Knurren und Bellen der Hunde langsam im Unwetter verhallte, sammelte Dakar seine mangelhaften Kenntnisse, fummelte mühsam den ersten Bannzauber zusammen und verlor gleich darauf den zweiten unter den sanft schimmernden Tropfen auflebender Niederschläge. Der Wolkenbruch wirkte sich verheerend auf seine Beschwörung aus. Er war imstande, den Zauber zu ersticken und selbst die sichersten Konstrukte magischer Energien zu zerstören. Der Wahnsinnige Prophet bekämpfte seine eigene Lethargie, schüttelte die eisige Kälte ab und ergab sich schließlich
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