Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung
seinem glühenden Zorn. Nun verwob er das elementare Chaos des Niederschlages mit seinen nächsten Bemühungen, und dieses Mal packten die Banne wie eine bösartige Rache zu.
Das Knurren in der Finsternis wurde um ein Vielfaches lauter, als die Hirtenhunde ihre Artgenossen attackierten. Beängstigend erscholl das Heulen gepaart mit dem Donnern herabstürzender Schieferbrocken in der Nacht, als die beiden Rudel aufeinandertrafen. Nur schwach erklang das Geschrei der Männer vor den tierischen Lauten, die den Eindruck erweckten, der Herr des Schicksals hätte die Wölfe Sithaers aufgehetzt.
»Gehen wir«, drängte der Hirte, den der eigene Stolz zu Tränen rührte. »Solange meine Hunde leben, werden sie nicht aufhören zu kämpfen.«
Doch verhaftet in seinem Netzwerk glasklarer Banne, schüttelte Dakar den Kopf. »Arithons Männer müssen diesen Pfad nach uns benutzen. Wir müssen die Kopfjäger von hier vertreiben.«
Blutige Schwerter würden noch mehr Blut fordern, und auf dem schwarzen Rücken des Berges, unter der steten Last heftiger Winde, würde das Wetter Freund und Feind gleichermaßen beeinträchtigen. Während kalter Schweiß seine Haut benetzte, hielt Dakar eisern an dem schmerzenden Geflecht angespannter Nerven fest.
Wie einfach es doch wäre, könnte er Skannts Kopfjäger gegen Bransians Lanzenreiter hetzen, sie veranlassen, einander gegenseitig auszurotten, so wie es eine Kräuterhexe mit Ungeziefer zu tun pflegte, könnte er ihren Geist mit magischen Bannen vernebeln, bis der Weg zu den Pässen wieder frei wäre.
Die Vorhut kehrte, um die Hälfte reduziert, zurück. Sie wischten die blutverschmierten Klingen an ihren Kleidern ab und zeigten, wie es unter den Clanblütigen üblich war, keinerlei Sentimentalität angesichts der Verluste. »Der Weg vor uns ist frei.«
Hinter ihnen erklang das gutturale Knurren der Hunde, durchbrochen von dem heiseren Kläffen eines verwundeten Tieres. Stahl prallte klirrend auf Felsgestein. Männer riefen sich gegenseitig in der Sprache der Städter an. Und als sich der Regenschleier für einen Moment lüftete, sah Dakar, wie die Clankrieger Caolles vielsagende Blicke wechselten.
»Kopfjäger sind nicht naiv genug, einfach aufzugeben. Sie werden uns in den Rücken fallen. Wir dürfen sie nicht leben lassen«, sagte einer der Männer, bärtig und noch sehr jung, zweifellos ein Alters- und Leidensgenosse Jierets, der nun wie zum Salut auf seine Klinge spuckte. »Für das Blut meiner Schwester«, murmelte er, ehe er mit einem Grinsen im Sturm verschwand, gefolgt von den älteren Kriegern, die sich ihm in Kampfesformation anschlossen.
»Nur Mut«, versuchte Dakar, die Hirten aufzurütteln, die sich hinter ihn kauerten. »Wenn wir das Hochland nicht bald erreichen, wird Caolle sich sorgen und weitere Clankrieger den Hang hinab schicken.« Gegen alle Wahrscheinlichkeit hoffte er, Arithon würde bald zu ihnen stoßen, wußte er doch allzu gut, daß die Bedingungen sich nicht bessern würden.
Als sie schließlich weiter den Hang hinaufkletterten, kehrten zwei Hunde zu ihnen zurück. Beide hatten zerfetzte Ohren davongetragen, und einer humpelte erbärmlich. Der ranzige Hauch des Blutes, der die regendurchzogene Luft verunreinigte, lastete schwer auf Dakars Eingeweiden, während der Pfad sie an den Leichen der Soldaten vorbeiführte, die ihnen hatten auflauern wollen, nun jedoch mit durchtrennten Kehlen kopfüber von den Felsen herabbaumelten.
Um die Mitternachtsstunde trieb der Wind beißenden Graupel heran. Dakar bemühte sich, seine unterkühlten Zehen in den durchnäßten Stiefeln zu bewegen. Mit eingezogenem Kopf arbeitete er sich gegen den Sturm voran, der eine immer bitterere Kälte mit sich trug, die ihn unter seinen feuchten Kleidern bis ins Mark erschauern ließ. Die Schäfer schienen gegen die Unbilden des Wetters abgehärtet zu sein. Keine Klage trat über ihre Lippen. Sie waren so schweigsam, daß Dakar sich ihrer in der vollkommenen Dunkelheit nur durch ihre Bewegungen, durch das leise Klappern eines Bogens an einem silbergefaßten Horn oder das Knirschen eines Fehltritts bewußt war. Sie aber verließen sich voll und ganz auf seine magische Wahrnehmung, die sie vor weiteren Gefahren auf ihrem Weg warnen sollte, und allmählich ermüdeten seine Sinne unter der permanenten Überbeanspruchung.
So sehr, daß er nicht imstande war, eine Vision richtig zu deuten.
Als ein Aufflammen weißen Lichtes am Rande seiner Wahrnehmungsgrenzen flackerte und sein
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