Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung
in Dakars Nase. Selbst verdünnt in der Raumluft reichte die Konzentration, eine Gluthitze durch seine Nervenstränge zu jagen, während er den ersten Atemzug im Inneren der Kabine mit einem kräftigen Husten beendete. Die Schmerzen in seinem Leib vereinten sich mit den Wogen einer aufflackernden Hitze. Schwindel erfaßte seine Sinne, drängte ihn zu einem vorsichtigen Blick hinter den Schleier, der die Dimension weitreichenderer Wahrnehmung verbarg, ein Gefühl, ähnlich dem übelkeitserregenden Sturz in die Bewußtlosigkeit, mit dem sich seine prophetischen Visionen anzukündigen pflegten.
Doch dies war nicht der richtige Zeitpunkt für Weissagungen. Nur allzu deutlich erkannte Dakar die ersten Auswirkungen jener Droge, die einen Tienellerausch einzuleiten pflegten. Die gefährlichen Nebenwirkungen einer solchen Trance führten einen Tanz auf, den er zu meistern imstande war. Er stieß die Luft aus seinen Lungen, rief seine Sinne zur Ruhe und versiegelte seine magische Wahrnehmung hinter einer Barriere reiner Willenskraft. Er würde nur noch das sehen, was sich in dem gewöhnlichen Lampenschein erkennen ließ, nur das hören, was seine Trommelfelle in Schwingung versetzte.
Nun wurde das Innere der Kabine wieder deutlich erkennbar. Die Scheiben des Lampenglases schimmerten rubinrot. Umrahmt von warmem Licht entdeckte er die fallengelassene Steinpfeife inmitten der verkohlten Überreste des Krautes, die aus ihrem erkalteten Kopf herausgerieselt waren. Dort, wo die Glut sich verteilt hatte, waren nur noch erkaltete schwarze Flecken, verkohlte Löcher in der lackierten Tischoberfläche. Wie helle Tupfen verteilten sich Blätter des silbergrauen Krautes auf dem Holz, von der Zugluft immer wieder aufgewirbelt.
Arithons Stuhl war leer. Die Decke auf seiner Koje war zerdrückt, die Laken halb von der Matratze gerissen. Kartentruhe, Hängeschrank, Wandschrank und Logbuch, alles verschlossen und verriegelt.
Die Sorge trieb Dakar den Schweiß aus den Poren, als er seine Suche fortsetzte. Neben einem Durcheinander heruntergefallener Schreibfedern entdeckte er die Überreste einer zertrümmerten Lacktruhe und hinter diesen eine Hand, die Finger wie Krallen ausgestreckt, dann die angespannten, knochigen Züge eines Gesichtes, das schutzsuchend an einen Unterarm gedrückt lag. Unter dem Rund des Fensters lag Arithon zusammengekauert auf der Seite am Boden.
Zu ungeschickt, sich den Bewegungen der Planken anzupassen, donnerte Dakar gegen den Kartentisch, ehe er neben dem Prinzen auf die Knie fiel. Sein durch die Droge verfeinertes Gehör litt schrecklich unter dem Getöse der weißen Gischt des Kielwassers, die sich etwa einen Meter jenseits des Fensters auf dem sternenbeschienenen Ozean aufbaute. Erneut verstärkte er seine Selbstkontrolle, um die Furcht zu beherrschen, die ihn zurückschrecken lassen wollte, ehe er in der Finsternis den Arm ausstreckte und den Herrn der Schatten berührte.
Arithons bloßer Nacken war eiskalt und schweißgebadet, und die Berührung verursachte ihm ein unwillkürliches Schaudern. Dakar hörte seinen Atem vor dem Hintergrund knarrender Taue, als der Steuermann der Khetienn die Ausrichtung des Ruders den Windverhältnissen anglich.
Dakar schüttelte die teilnahmslose Schulter. »Arithon?«
Nicht die kleinste Reaktion.
Die Flamme der Laterne auf dem Tisch flackerte heftig, erlosch beinahe und erholte sich schließlich mit zittrigem, blutrotem Schein. Durch den Einfluß des Narkotikums allen Möglichkeiten aufgeschlossen, formte Dakar sein Wissen als Zauberbanner zu einem prüfenden Fühler; und Macht beantwortete seinen Vorstoß. Der Docht der Laterne brannte in falscher Helligkeit auf, stark genug, ihm einen Überblick über die Lebenszeichen des Prinzen zu verschaffen.
Unter blau angelaufenen Lidern waren die Pupillen Arithons zu tiefen schwarzen Schächten geweitet. Seine Gliedmaßen waren gefährlich kalt, die Reflexe; die sich in Muskelkrämpfen äußerten, welche helfen sollten, die schreckliche Kälte zu überstehen, nurmehr ein nachlassendes Zittern schmaler Schultern. Der Puls schlug ungleichmäßig und viel zu schnell, die Haut war schweißgebadet und das Gewebe lebensbedrohlich ausgetrocknet.
Die Symptome einer Tienellevergiftung waren vielfältig und grausam, eine Tortur, der sich kein Magier unterziehen würde, befände er sich nicht auf dem Gipfel mentaler Gesundheit. Wärme und Flüssigkeit waren dringend vonnöten. Wasserzufuhr würde es dem Körper ermöglichen, einige der
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