Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung
auf das nächste Zelt niederging und das Werkzeug des Waffenschmieds in wildem Flug durch den hohen Farn jagte, so daß die Männer gezwungen waren, in aller Eile die davonholpernden Hammer und Nägel wieder einzufangen.
»Euer Hoheit, diese Mißgeschicke werden nicht abreißen«, belästigte Lord Harradene eines Tages den Prinzen, als das letzte abtrünnige Werkzeug gefangen und mit Hilfe eines Kettenhemdes gesichert war, während vier obdachlose Männer im Regen auf ihren Hinterteilen hockten und sich mühten, die Risse in ihren Zeltbahnen zu flicken. »Mit jedem neuen Rückschlag, den die Truppen erleiden, lockt ihre Angst die herumstreunenden Dämonen an. In diesem erbärmlichen Land gibt es nicht einmal ein Kloster der Eingeweihten Aths, die uns helfen könnten, diese verfluchten Kreaturen zu vertreiben. Wir könnten einen Boten zu dem Korianihospiz in Forthmark schicken, um Talismane zu beschaffen, aber wenn unsere Kuriere ihre Pferde noch mehr antreiben, dann werden sie sich im Morast die Beine brechen. Weitere vierzehn Tage werden dahinziehen, ehe der Bote auch nur bei den Ordensschwestern eingetroffen sein wird.«
Lysaer hockte auf einem Klappstuhl und war damit beschäftigt, die Klinge eines Dolches zu schärfen. Wie silberne Perlen schimmerte die Feuchtigkeit in seinem Haar, und sein blaugoldener Wappenrock hob sich wie ein Aufschrei widernatürlicher Farbe vor der hartnäckigen Düsternis der regenverhangenen Berge ab, als er zu dem großgewachsenen Offizier aufblickte, der die Nachfolge Diegans angetreten hatte. »Ihr wißt wohl, daß unser Feind beabsichtigt, uns mit eben diesen Ärgernissen zu schwächen.« Mit dem Anschein milder Nachsicht trotz seiner unerschütterlichen Entschlossenheit fügte er hinzu: »Weit Schlimmeres als Iyats müssen wir für fünf Königreiche erwarten, wenn der Herr der Schatten mit dem Leben davonkommt.«
Lordkommandant Harradene hatte ihm keine passende Entgegnung zu bieten.
Der Prinz des Westens legte Wetzstein und Dolch zur Seite, erhob sich, winkte seinem Pagen und warf sich den Umhang mit dem Stern von Tysan über die Schultern. Dann wartete er, ebenfalls schweigend, bis der kräftige Mann, der sich mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihm aufgebaut hatte, seinem bohrenden Blick nicht länger standhalten konnte.
»Wäre es Euch lieber, die Garnison Etarras würde sich zurückziehen?« fragte Prinz Lysaer.
Zutiefst getroffen von dem unterschwelligen Vorwurf, seine Männer wären weniger standhaft als die Verbündeten aus Jaelot und Alestron, wagte Lord Harradene einen erneuten Vorstoß. »Ausdauer ist eine löbliche Eigenschaft, aber sie kann weder dem Wetter standhalten noch die Finsternis vertreiben, die unsere Truppen bedroht. Auch ist der Hunger, den die Männer leiden müssen, nicht hilfreich. Wenn dieser Feldzug uns mehr als schlichte Verzweiflung einbringen soll, dann wird es Zeit, daß wir Beute machen.«
»Kümmert Euch um Eure Männer, und es wird geschehen«, versicherte Lysaer.
Stählernes Klirren näherte sich, begleitet von dem unterdrückten Lachen eines Mannes. Dann kündigten schnelle Schritte im Schlamm die Ankunft des Boten mit dem Bericht von Skannts letzter Patrouille an. »Stellt einen Angriffstrupp zusammen«, rief der Kopfjäger, während er seinen nassen Umhang auswrang. »Wir haben weitere Stellen gefunden, an denen Zelte das Gras niedergedrückt haben, und drei noch warme Feuerstellen. Die Spürhunde sind frei. Außerdem haben die Hirten ihre Herde an einer Quelle getränkt. Den Spuren im Schlamm nach zu urteilen, dürften sie gerade erst aufgebrochen sein.«
»Die Männer, die sie fangen, bekommen das Fleisch«, versprach Lysaer lächelnd, als er sah, wie Harradenes düstere Stimmung sogleich von enthusiastischem Tatendrang vertrieben wurde. Nachdem der letzte Versorgungszug bereits seit drei Tagen überfällig war, würde diese Nachricht die gereizten Soldaten zu Höchstleistungen anspornen.
Inmitten der unzähligen Pfützen sattelten die Männer im steten Nieselregen ihre Pferde und ritten frohgemut aus dem Lager.
Doch obgleich die Aussicht auf frisches Fleisch, dessen Fett in die Flammen der Kochfeuer spritzte, die Soldaten viele ermüdende Stunden auf ihrer Fährte hielt, gelang es den Hirten, spurlos zwischen den Klippen zu verschwinden. Skannts Spürhunde liefen im Kreis, suchten auf dem Schotterboden nach einem verdächtigen Geruch, bis ihre Pfoten bluteten. Reiterscharen ritten im Nebel hangauf, hangab, von dem
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