Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung
bewaffneten Soldaten, waren die Nomadensippschaften erbärmlich klein. Jeder Tote bedeutete für den Herrn der Schatten einen Verlust, den er nur schwer verschmerzen konnte, ein verlorenes Leben mehr, das den Hirten bei ihrem Bemühen fehlte, das Land, von dem das Überleben ihrer Familien abhing, zu verteidigen.
Lysaer aber arbeitete unermüdlich daran, die Moral seiner Soldaten wieder herzustellen. Gleich zu welcher Stunde, war er stets zugegen, um dem Wachwechsel beizuwohnen.
Persönlich hörte er sich jeden Bericht zurückkehrender Kundschafter an, wußte stets, wenn einer der ihren gefallen war, erwies ihnen seine Anerkennung für ihren Eifer und zeigte sich über jeden noch so kleinen Erfolg erfreut. Abgemagert, müde und ausstaffiert mit edlen, doch vollkommen durchnäßten Gewändern, stand er in der Kälte der Nacht und rief seine Gabe des Lichtes herbei, um den von freudlosen, tristen Nächten niedergedrückten Garnisonstruppen Wärme zu spenden.
Während am Morgen aufmunternde Rufe aus den Wagen der Dirnen erklangen, die dem Heer gefolgt waren, ritten die Patrouillen hinaus, nebelverhangene Klippen und Schluchten nach Hinweisen auf den Schattengebieter zu durchsuchen.
»Er ist da draußen«, erklärte Lysaer beharrlich, und stets stärkte seine Zuversicht das Vertrauen der Männer. Nachts riß ihn die nagende Abneigung aus dem Schlaf, die sich in schweißtreibenden Alpträumen niederzuschlagen pflegte; das Gefühl eines Schrittes oder ein flüchtiger Luftzug mochte dieses charakteristische Gefühl auslösen, das ihn stets vor der Nähe seines Halbbruders warnte.
In jenen Stunden, in denen die Empfindung besonders heftig in seinem Inneren loderte, schickte er Skannts Kopfjäger hinaus, unterstützt von den führerlosen Truppen Alestrons. Nicht wenige dieser Söldner hatte er aus seinem persönlichen Fundus mit neuen Waffen versorgt. Reumütig angesichts der Ausrüstung, die sie an einem Hang jenseits des Dier Kenton-Tales von sich geschleudert und den diebischen Sippschaften überlassen hatten, waren die Divisionen Keldmars nun um so mehr darum bemüht, ihre Loyalität mit wahrem Feuereifer unter Beweis zu stellen. Niemand tadelte sie, weil sie sich dem Angriff magischer Kräfte geschlagen geben mußten, und Prinz Lysaer selbst zog jeden Mann zur Rechenschaft, der es wagte, sich über die Männer lustig zu machen. Dennoch trugen die Söldner Alestrons schwer an der Schmach, daß der Feind gerade durch eine Bresche in ihren Reihen hatte entkommen können.
Sie durchstöberten die feindseligen Berge und wateten durch das Schilfgras in den Sümpfen, die sich in den Tiefebenen ausbreiteten. Wenn es dunkel wurde, kehrten die meisten von ihnen mit leeren Händen zurück, körperlich unversehrt, doch zutiefst entmutigt.
Andere fielen unter einem blitzschnellen Überfall, begonnen und beendet, noch ehe sie Gelegenheit fanden, sich zur Wehr zu setzen. Grollend mußten sie es hinnehmen, daß der Tod ihrer Kameraden ungesühnt blieb, lieferte ihnen der Feind doch kein Ziel, an dem sie Vergeltung üben konnten.
Für jeden armseligen Triumph der Kopfjäger forderten Schatten und Zauberei unermüdlich ihren Tribut. Welchen Nutzen hatte schon die überragendste Disziplin, wenn sich wieder und wieder tiefe, unnatürliche Finsternis über die Linien der Soldaten legte und sie unter den Pfeilen des Feindes ihr Leben ließen. Auch wurden allzu oft die Versorgungszüge von ihrem Weg abgebracht, durch Illusionen verwirrt und in die Irre geführt. Später fanden dann Patrouillen halb im Sumpfland versunkene Männer. Andere wanderten, ihrer Wagen und Tiere beraubt, hilflos und verloren durch das Land.
Während die Hafersuppen aus dem Küchenzelt immer dünner und die Rationen immer kleiner wurden, ließ sich die traurige Wahrheit nicht verdrängen. Vierzehn Tage des Blutes, des Schweißes und des selbstlosen Einsatzes der Männer auf der Jagd nach dem Herrn der Schatten hatten Lysaer keinen nennenswerten Erfolg eingebracht. Doch seine Reihen lichteten sich mehr und mehr, ausgedünnt durch unzählige kleine Vorstöße des Feindes.
Lordkommandant Harradene aus Etarra wurde zu einem vertrauten Anblick, wenn er sich mit seinen riesigen Stiefeln zwischen brackigen Pfützen hindurch in das Lager vorarbeitete, während sein Umhang aus Wachsleinen wie das bucklige Gefieder eines Geiers über seine breiten Schultern fiel. Er war stets bereit, den Aufruhr zu bezwingen, wann immer ein von Iyats beseeltes Waffengerüst im Sturzflug
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