Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
Universums, bahnbrechende Erfindungen, Theorien, die die Welt verändern können.« Seine Augen glänzten.
Völlig verständnislos starrte Tica ihn an.
»Er ist Wissenschaftler«, erklärte Assante entschuldigend, und Tica bedachte auch ihn mit ratlosen Blicken. Zweifellos hielt sie die beiden Männer für verrückt.
»Welches Wissen?«, fragte sie.
»Keine Ahnung«, sagte Conrad. »All das, was Euer Volk erforscht hat und uns Europäern noch verschlossen ist.«
»Wollt Ihr Goldschmiede werden?«
»Goldschmiede?«
»Mein Volk hat weder große Ärzte noch besondere Astronomen hervorgebracht. Alles, was wir gut können, ist die Verarbeitung von Gold. Unsere Goldschmiede haben eine besondere Technik entwickelt, eine Mischung aus Wachsguss- und Hammerverfahren. Sie ist einzigartig. Außerdem ist es unseren Goldschmieden gelungen, Gold mit anderen Edelmetallen zu verbinden. Diese Männer sind große Künstler. Ihre Arbeiten werden hoch geschätzt.«
»El Dorado ist also nichts als ein Schatz aus Gold?«, fragte Conrad. Seine Stimme und seine Körperhaltung spiegelten seine Enttäuschung wider. Niedergeschlagen hockte er im Boot.
»Ja natürlich«, sagte Tica verunsichert. Sie klang nun nicht mehr wütend.
»Ihr kennt doch sicher die Legende von El Dorado und wisst, wie sie entstanden ist«, fragte sie.
Assante schüttelte den Kopf. Conrad antwortete nicht, er schmollte beleidigt wie ein kleines Kind und fühlte sich um sein Ziel betrogen.
»Mein Dorf liegt in der Nähe von Zipaquirà, was in unserer Sprache ›Ort unseres Vaters‹ oder ›Ort des Zipa‹ bedeutet. Der Zipa ist das Oberhaupt unseres Volkes. Es heißt, dass vor vielen Jahren die Gattin des Zipa seine Ausschweifungen satthatte. Wegen des Handels mit Gold war unser Volk sehr reich geworden, und am reichsten natürlich der Zipa. Er hielt sich viele Geliebte, trank Unmengen von Chicha und rauchte zu viel Yopo. Seine Gattin fand Trost in den Armen eines Kriegers. Als der Zipa dahinterkam, ertränkte er seine Frau und die gemeinsame Tochter im See. Aber weder die Frau noch die Tochter starben. Es heißt, sie leben immer noch am Grund des Sees.«
»Eine gruselige Vorstellung«, sagte Assante.
»Ja, das finde ich auch«, gab Tica zu. »Schon nach kurzer Zeit bereute der Zipa seine Tat und begann mit einem Ritus. Jedes Jahr ließ er sich am Todestag seiner Frau und seiner Tochter mit Goldstaub einreiben und stieg in den See, um sich darin zu waschen. Außerdem ließ er einen Teil seines Goldschatzes im See versenken, in der Hoffnung, seine Frau dazu überreden zu können, wieder zu ihm zurückzukehren.«
»Und kam sie wieder?«, fragte Assante.
»Leider nein«, sagte Tica. »Aber der Ritus wurde auch nach dem Tod des Zipa weitergeführt. Die Legende veränderte sich, und aus der ehemaligen Frau und ihrer Tochter wurde eine gefiederte Schlange, eine Gottheit, die ein Verbindungsglied zwischen unserer Welt und der Unterwelt darstellt.«
»Wer glaubt denn an so etwas?«, fragte Conrad.
»Erzählt mir nichts von sonderbaren Riten. Ihr Christen behauptet, dass Euer Gott seinen Sohn auf die Welt geschickt hat, um ihn zuerst geißeln, dann töten und hinterher wieder auferstehen zu lassen. Ihr kniet vor einem gefolterten Mann an einem Kreuz nieder, und wenn es stimmt, was Eure Priester erzählen, dann kehrte der Auferstandene mit seinen offenen Wunden wieder zurück zu den Menschen. Die Vorstellung ist einfach nur ekelhaft.« Tica verzog das Gesicht und schüttelte sich.
»Ich fürchte, Ihr habt einen Teil der Geschichte nicht ganz verstanden«, warf Conrad ein.
»Dasselbe gilt für Euch und die Legende von Zipaquirà.«
Assante konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, er drehte sich weg und hielt sich seine Hand vor den Mund, um keinen der beiden zu beleidigen.
»Die Geschichte ist noch nicht zu Ende erzählt«, sagte Tica. »Jahrelang wurde der Ritus durchgeführt, und schon bald verbreitete sich das Wissen über unseren Reichtum und damit auch der Neid. Als die Spanier unser Land angriffen, schickte der damalige Zipa einen Abgesandten zum Volk der Inkas und bat um militärische Unterstützung. Aber der Inka unterstützte uns nicht, im Gegenteil, er erzählte den Spaniern von unserem Reichtum. Kurz darauf fielen Spanier über unsere Stadt her und zerstörten alles, was sie finden konnten. Sie schlugen einen V-förmigen Einschnitt ins Ufer des Sees, um das Wasser abrinnen zu lassen, aber ohne Erfolg. Sie haben den Schatz nie gefunden.«
»Warum
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