Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
zerrissenes Leinen und verknotete Seile bedeckten die Planken. Die Galerie am Achterdeck war gebrochen, und die Leiter in den Lagerraum bestand nur noch aus einem losen Brett. Knöchelhoch stand Salzwasser an Deck. In der schmutzigen Brühe schwammen Algen, Muscheln und tote Fische.
Doch das Wichtigste war: Die Santa Lucia hatte das Unwetter überstanden. Der Laderaum mit Proviant und Wasser war weitgehend trocken und der Kompass unbeschadet geblieben.
Nun lag das Schiff in ruhigem Wasser und schaukelte auf den sanften, blauen Wellen, die vor wenigen Stunden noch schwarz und bedrohlich gewütet hatten.
Jana, die aus ihrer Ohnmacht erwacht war, lag erschöpft an Deck und wartete darauf, dass der Sturm erneut einsetzen würde. Sie konnte nicht glauben, dass das Unwetter überstanden war. Aber eine sanfte Brise vertrieb gerade die letzten Reste der Wolken. Zurück blieb ein strahlender Himmel, so als hätte es die letzte Nacht nie gegeben.
Schlimmer noch als der materielle Schaden am Schiff war die Bilanz menschlicher Verluste. Neben dem Proviantmeister hatte das Unwetter zwei weiteren Seemännern das Leben gekostet. Sie waren über Bord gespült worden. Drei Matrosen waren schwer verletzt, unter ihnen der Lotse Servante. Sie lagen neben Jana am Vorderkastell. Alle anderen Männer waren mit leichteren Verletzungen davongekommen. Erstaunlicherweise hatten die Sklaven unbeschadet überlebt.
Jemand musste rechtzeitig die Luken zu ihren Kammern geöffnet und sie vor dem Ersticken bewahrt und dann wieder geschlossen haben, so dass sie nicht ertranken.
Sobald die Bestandsaufnahme der Schäden abgeschlossen war, begannen die Aufräumarbeiten. Rico und zwei Matrosen schöpften Salzwasser mit Eimern vom Deck. Der Zimmermann machte sich daran, die Schäden der Masten auszubessern, ein zerfetztes Segel wurde geflickt, der Hauptmast notdürftig mit soliden Pfosten aus Holz erneut aufgerichtet, und Taue wurden wieder aufgerollt. Nun zeigte sich, dass Valdivas Vorkehrungen vor der Reise sinnvoll gewesen waren. Der erfahrene Kapitän hatte darauf bestanden, dass sich ausreichend Holz für etwaige Reparaturarbeiten auf dem Schiff befand.
Conrad hockte bei Jana und untersuchte ihren Unterarm. Während des Sturms hatte er sich nicht darum kümmern können. Als Conrad den blutdurchtränkten Stoff vorsichtig abnahm, wich die Farbe aus Janas Gesicht.
»Tief durchatmen«, sagte Conrad. »Leg dich hin und schau nicht auf deinen Arm.«
Aber wieder war es zu spät, Jana hatte die hässliche, tiefe Fleischwunde, die der Haken hinterlassen hatte, bereits gesehen. Sie wusste, dass die Wunde genäht werden musste. Erschöpft sank sie zurück und schloss für einen Moment die Augen. Ihr wurde wieder übel.
Conrad bat um einen Topf mit heißem Wasser, doch Kapitän Valdiva verweigerte ihm den Wunsch. Zwei der kostbaren Fässer waren beim Sturm zu Bruch gegangen.
»Wir können uns keine weitere Verschwendung leisten«, erklärte er.
»Dann bringt mir meine Trinkwasserration, damit ich die Instrumente reinigen kann. Die Wunde wird sich entzünden, wenn ich die Nadel nicht gründlich wasche.«
»Ihr braucht Euer Wasser zum Trinken, sonst brecht Ihr zusammen«, murrte Valdiva. Er hatte noch nie gehört, dass ein Arzt seine Instrumente vor dem Gebrauch säuberte. Rodriguez kam hinzu und bestätigte den Kapitän. Während Conrad sich um Jana kümmerte, untersuchte der Schiffsarzt die anderen Verletzten.
»Was der Mann sagt, ist völliger Unsinn. Ob sich eine Wunde entzündet, ist allein Gottes Entscheidung.« Er warf einen Blick auf Janas Unterarm.
»Wenn Ihr mich fragt, wird die Wunde ohnehin eitern. Sie ist sehr tief. Eure Frau kann von Glück sprechen, wenn sie den Arm jemals wieder benutzen wird. Ich würde den Arm abnehmen, damit verringert Ihr das Risiko eines Wundbrandes.«
Entsetzt zuckte Jana zusammen, während Conrad den Schiffsarzt ungehalten anfauchte: »Es fragt Euch aber niemand!«
Dann wandte er sich an den Kapitän: »Habt Ihr Schnaps an Bord?«
»Natürlich. Warum?«
»Wenn Ihr mir kein Wasser gebt, muss ich die Instrumente mit Alkohol säubern.«
»Seid Ihr völlig von Sinnen?«, fragte Valdiva, und Rodriguez lachte laut.
»Nein, aber ich nehme meine Arbeit ernst, und ich habe im Laufe der Jahre gelernt, dass die Patienten eher überleben, wenn der Arzt seine Instrumente und seine Hände wäscht, bevor er in eine Wunde greift. Wenn Ihr wollt, dass Euer Lotse und die beiden anderen Matrosen überleben, dann gebt mir
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