Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
Sobald Ihr wieder gesund seid, haben wir Trinidad erreicht, und Euer Mann darf den Lagerraum verlassen«, sagte Valdiva höflich und fügte entschieden hinzu: »Aber bis dahin bleibt er unter Deck. Denn ich will ihn auf keinen Fall noch einmal zu Gesicht bekommen.«
»Kann ich zu ihm?«, fragte Jana.
Valdiva hatte ihr bereits den Rücken zugekehrt und sich zum Gehen gewandt. Er tat so, als hörte er Jana nicht. Deshalb schrie sie lauter und wiederholte: »Kann ich meinen Mann im Lagerraum besuchen?«
Langsam drehte er sich um und schüttelte den Kopf: »Im Moment nicht. Das Wegsperren soll eine Strafe sein und keine Belohnung.«
Er grinste schief, und der Ausdruck, der nun auf seinem Gesicht lag, war so anzüglich, dass Jana rot anlief. In dem Moment wurde Conrad in den Lagerraum gestoßen. Sein Fluchen machte jedem Gassenjungen Konkurrenz. Jana wollte ihm noch einmal in die Augen sehen, aber einer der Matrosen versperrte die Sicht, und so war Conrads rotblondes Haar das Letzte, was Jana von ihm sah, ehe die Lagerraumtür krachend hinter ihm zufiel.
Entsetzt schloss sie die Augen. Für einen Moment hoffte sie, dass das alles bloß ein schlechter Traum gewesen war. Wenn sie die Augen wieder öffnete, würde Conrad neben ihr sitzen, ihr die schweißnasse Stirn abwischen und ihr sanft erklären, dass sie wegen der Verletzung Fieberträume gehabt hatte. Aber als Jana die Augen wieder öffnete, war alles genau wie zuvor. Rodriguez stand breitbeinig vor ihr und grinste selbstgefällig.
»Ohne Euren eingebildeten Ehemann werdet Ihr die Weiterreise genießen, glaubt mir!« Seine Stimme klang ölig, und Jana stieß sauer auf.
»Wenn Ihr nicht augenblicklich aus meinem Blickfeld verschwindet, muss ich mich leider übergeben und dabei Eure kostbaren Lederstiefel ruinieren.« Sie würgte und beugte sich Richtung Schiffsarzt. Der sprang angeekelt zurück, schüttelte den Kopf und ging.
Jana starrte der schlanken Gestalt hinterher.
»Schade, dass er so schnell weg war«, meinte Servante amüsiert. »Ich glaube, ich hätte auch kotzen können.«
An Bord
der Anne Rose,
Oktober 1618
Günstige Winde trieben die Anne Rose rasch gen Westen. Richard wollte es einfach nicht gelingen, sich an das Leben auf dem Schiff zu gewöhnen. Auch nach zwei Wochen auf See war ihm ständig übel, und er hatte Angst, sich auch nur einen Schritt zu weit von der Reling wegzubewegen. Er wollte sich nicht aufs frisch geschrubbte Deck übergeben. Tom hingegen schien die Reise richtiggehend zu genießen. Er fasste kräftig mit an, half beim Flicken der Segel und beim Aufwickeln der Taue. Innerhalb kürzester Zeit hielten ihn die anderen für ein Mitglied der Mannschaft, dem man täglich einen zusätzlichen Becher Wein ausschenkte. Eine besonders enge Freundschaft schien er zum zahnlosen Steuermann entwickelt zu haben, ständig steckte er mit dem Mann zusammen.
Richard beobachtete den Diener mit wachsendem Interesse. Eines Abends suchte er das Gespräch mit Tom. Es war eine wolkenlose Nacht, in der man abertausende von Sternen am Himmel sehen konnte. Der Diener hatte sich bereits zum Schlafen gelegt und unter einer Decke zusammengerollt. Vorsichtig hangelte sich Richard vorwärts, sorgsam darauf bedacht, immer nur mit einer Hand loszulassen, damit er nicht ausrutschte und sich der Lächerlichkeit preisgab. Endlich hatte er Tom erreicht. Erleichtert ließ er sich neben ihn auf den Boden plumpsen. Tom drehte sich zu ihm und blinzelte empört. Richard hätte schwören können, dass er noch nicht geschlafen hatte.
»Wie machst du das?«, fragte Richard neugierig.
»Was?«, murrte Tom schlaftrunken.
»Du bewegst dich mit einer Sicherheit auf dem Schiff, als wärst du früher Matrose gewesen.«
Tom schob seinen Oberkörper unter der dicken, grauen Wolldecke hervor und setzte sich seufzend auf. Sein kurzes, borstiges Haar stand wild von seinem runden Kopf ab.
»Mein Vater war Fischer«, antwortete er.
»Warum bist du nicht auch Fischer geworden?«
»Ich hatte sieben Geschwister und immer Hunger. Mit zwölf beschloss ich, nach London zu gehen. Dort traf ich Sir Walter Raleigh, kurz darauf hat er mir eine Stelle als Laufbursche für seine Geliebte angeboten. Später wurde ich ihr Diener und dann der ihrer Tochter.«
»Und ich dachte, du wärst ein Gefangener gewesen, der seine Strafe nicht im Gefängnis absitzen musste, sondern auf einem Schiff der Königin dienen durfte.«
Tom zuckte unter den Worten, die als Spaß gedacht gewesen waren,
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