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Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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über den Proviantmeister gebeugt und ihm den Schlüssel abgenommen hat.«
    Nun lachte Conrad humorlos auf: »Das ist eine Lüge und die absurdeste Beweisführung, die ich je gehört habe. Contra stultitiam nemo ligitare potest – Gegen Dummheit kann man keinen Prozess gewinnen. Der Mann, der mich ganz offensichtlich hasst, weil er selbst kein Arzt, sondern bloß ein mieser Bader ist, behauptet, ich hätte die Türen zum Laderaum geöffnet, und Ihr wollt mich deshalb auspeitschen lassen? Das ist lächerlich. Ich rate Euch ein gründliches Studium der Grundlagen der Rechtsprechung.«
    Jana warf ihm einen warnenden Blick zu, den Conrad aber nicht bemerkte. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte ihm die gesunde Hand vor den Mund gehalten, aber auch dazu fühlte sie sich nicht im Stande. Ihr war furchtbar übel und heiß. Schweiß stand auf ihrer Stirn.
    Servante versuchte zu beschwichtigen: »Es steht Aussage gegen Aussage. Solange es nicht mehr Zeugen gibt, solltet Ihr Doktor Pfeiffer nicht verurteilen. Euer eigener Ruf als gerechter Kapitän steht auf dem Spiel.«
    Jana war dem Lotsen für die wohl überlegten Worte dankbar. Der Mann wusste, dass er ohne Conrad kein rechtes Bein mehr hätte.
    Kapitän Valdiva zögerte. Es war nicht schwer zu erkennen, dass er sich des aufmüpfigen Passagiers gerne entledigt hätte. Aber die Argumente des Lotsen mussten ernst genommen werden. Valdiva verfügte über genug Erfahrung auf See, dass er wusste, wie schnell eine Mannschaft unzufrieden werden konnte, wenn zu hart und ungerecht verurteilt wurde. Meuterei war das Schlimmste, was einem Kapitän passieren konnte.
    »Hat noch jemand Doktor Pfeiffer gesehen?«, fragte er und schaute dabei suchend in die Runde.
    Die Männer schwiegen betroffen. Nach einer schier endlosen Pause trat Rico aus der Runde. Fassungslos starrte Jana den Jungen an. Sie wusste, dass er Angst vor dem Schiffsarzt hatte, aber dass er für ihn lügen würde, hatte sie nicht erwartet.
    »Ich habe gesehen, dass Doktor Pfeiffer sich über Don Fermosa gebeugt hat«, sagte Rico leise. Dabei wagte er es nicht, Conrad oder Jana anzusehen, sondern starrte auf seine eigenen nackten Füße.
    »Hast du gesehen, wie er den Schlüssel genommen hat?«, fragte Rodriguez.
    Nun hob der Junge nervös den Kopf. Seine Augen fuhren unruhig hin und her. Mit dem mageren Gesicht, der spitzen Nase und den fahrigen Bewegungen erinnerte er Jana an eine kleine verschreckte Maus.
    »Hast du es gesehen?« Valdiva wiederholte die Frage des Schiffsarztes.
    Der Junge schüttelte den Kopf, und Jana atmete erleichtert auf. Sie war sicher, dass der Schiffsarzt dem Jungen hinterher eine Tracht Prügel verabreichen würde.
    Valdiva nahm seinen Hut ab, was er äußerst selten tat, und kratzte sich am Kopf.
    »Unter diesen Umständen werde ich aufs Auspeitschen verzichten, ebenso wie auf die Ketten, aber ich will diesen überheblichen Besserwisser und Unruhestifter für den Rest der Überfahrt nicht mehr an Deck sehen. Er wird zu dem aufmüpfigen Sklaven in den hinteren Laderaum gesperrt.«
    »Wie bitte?« Conrad setzte dazu an, seinem Ärger Luft zu machen, aber Servante war schneller und kam ihm zuvor.
    »Das ist eine harte, aber, wie mir scheint, gerechte Entscheidung!«
    Aufgebracht drehte sich Conrad zu ihm und funkelte ihn böse an. Der Lotse schüttelte kaum merkbar den Kopf, und im Gegensatz zu Conrad erkannte Jana, dass im Moment nicht mehr zu erreichen war. Inständig hoffte sie, dass Conrad schweigen würde. Sie warf ihm einen warnenden Blick zu.
    Als Conrad den Mund öffnete, aber bloß lautstark Luft ausstieß, sackte Jana erleichtert zurück. Ihre Übelkeit nahm stetig zu.
    »Sobald wir auf Trinidad gelandet sind, könnt Ihr den Laderaum wieder verlassen«, sagte Valdiva zu Conrad.
    »Wenn ich mich dann noch beweg…«, konterte Conrad bitter, doch der Kapitän schnitt ihm das Wort ab und befahl: »Führt ihn ab!«
    Augenblicklich setzten sich die beiden Seemänner, die Conrad immer noch im Griff hatten, in Bewegung und zerrten ihn unsanft über das Deck Richtung Lagerraum. Conrad stolperte über seine eigenen Beine, fiel aber nicht hin, weil die kräftigen Arme der Seemänner ihn hielten. Wie einen schweren Getreidesack schleiften sie ihn weiter.
    Jana sah ihm hinterher und versuchte aufzustehen. Augenblicklich geriet sie ins Wanken. In ihren Ohren surrte es, ihr wurde schwindelig.
    »Señora. Ihr seid verletzt und braucht Schonung. Legt Euch wieder hin und ruht Euch aus.

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