Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
an.
Der zuckte erneut mit den Schultern: »Keine Ahnung, Sir. Die Schwarzen sind alle befreit worden. Wir haben sie auf einem der Schiffe mitgenommen. Aber ein weißer Arzt war nicht dabei. Der wäre uns aufgefallen.«
Der Kapitän schnaufte lautstark, dann richtete er seinen Blick wieder auf Jana: »Kann es sein, dass Ihr mich belügt und es weder einen Ehemann noch einen reichen Onkel gibt?«
»Nennt mir den Namen eines Kapitäns, der mich als unverheiratete Frau mitgenommen hätte? Ihr habt meinen Mann getötet, und nun wollt Ihr meinen Onkel erpressen. Wie könnt Ihr es wagen, mich eine Lügnerin zu schimpfen?« Jana hoffte, dass sie nicht zu dick aufgetragen hatte. Aber Morgan schien ihr zu glauben.
»Wie heißt Euer Onkel?«
Nun war eine rasche Antwort gefragt.
»Tomek Jeschek«, schoss es aus Janas Mund. »Er besitzt eine Silbermine in der Nähe von Tunja.« Janas ehemaliger Verlobter musste mit seinem Namen herhalten, die Stadt Tunja war ihr merkwürdigerweise im Gedächtnis geblieben. Sie stand nicht auf Janas Schatzkarte, aber sie hatte den Namen im Reisetagebuch des Jesuiten gelesen.
»Silber in Tunja?«, fragte Morgan skeptisch. »Den Namen Jeschek habe ich noch nie gehört.«
Jana biss sich auf die Zunge. Sie durfte jetzt auf keinen Fall Unsicherheit zeigen.
»Wie kann es sein, dass Ihr den Namen noch nie gehört habt?«, fragte sie schnippisch. »Mein Onkel schürft jedes Jahr so viel Silber aus seiner Mine und schickt es in die alte Heimat, dass mittlerweile unsere ganze Straße in neuem Glanz erstrahlt.«
Morgan ergriff das Messer, das vor ihm auf dem Tisch lag, und verwendete die scharfe Klinge, um sich Speisereste aus den Zähnen zu holen. Als er damit fertig war, legte er es wieder zurück.
»Je mehr Silber er besitzt, desto besser. Der Ort liegt auf dem Festland, weit im Westen. Es kann Wochen und Monate dauern, bis wir jemanden dort hingeschickt haben. Er muss schon eine ordentliche Summe zahlen, damit der Aufwand sich lohnt.«
Ängstlich biss sich Jana noch einmal auf die Zungenspitze.
»Wo liegt Eure alte Heimat?«, wollte Morgan wissen.
Jana war sicher, dass der Mann Holländer war, das hörte sie an seinem Akzent, mit dem er Deutsch sprach. Gegen wen führten die Holländer im Moment Krieg?
Jana musste rasch antworten und entschied sich für die Wahrheit: »Prag.«
Damit war Morgan offensichtlich einverstanden.
»Die Prager haben den Habsburgern ordentlich eingeheizt«, lachte er und klopfte sich auf die Oberschenkel. »Interessantes Völkchen!«
Jana fragte sich, woher er seine Informationen bezog, beschloss dann aber, dass es keine Rolle spielte. Hauptsache, er schenkte ihr Glauben …
»Ich werde einen meiner Männer nach Tunja schicken, der den Onkel Eures verstorbenen Mannes aufsuchen soll. Es wird nicht schwer sein, einen Mann aus Prag zu finden. Bis wir Antwort von ihm erhalten, seid Ihr meine Gefangene. Willkommen auf Tobago. Ich hoffe, Ihr werdet Euch wohl fühlen.«
Trinidad,
November 1618
Wie lange konnte man in der prallen Sonne liegen, ohne auszutrocknen? Conrad wusste, dass er aufstehen und Wasser suchen sollte. Aber er konnte einfach nicht. Jede Faser seines Körpers schmerzte. Er fühlte sich schwach und völlig kraftlos. Sein Gesicht schmiegte sich in den weichen heißen Sand, und die Sonne knallte erbarmungslos auf seinen Hinterkopf. Wenn er noch länger hier liegen blieb, würde er sterben und verdorren. Zurückbleiben würde ein Skelett umgeben von ledriger Haut. Der Gedanke kam ihm plötzlich gar nicht mehr verkehrt vor. Die Augen schließen und für immer sorgen- und schmerzfrei schlafen. Die Vorstellung gefiel ihm. Sanftes Wellenrauschen und helle Vogelschreie drangen wie durch einen dichten Filter an sein Ohr. Er würde nicht qualvoll ertrinken, sondern friedlich in der Sonne einschlafen.
Fast zufrieden schob er seine Hände tiefer in den Sand, so als wollte er es sich in einem Bett gemütlich machen. Er hörte die Schritte nicht, die sich ihm näherten, und bemerkte auch den Schatten nicht, der über seinen erschöpften Körper fiel. Aber er spürte das unsanfte Rütteln, mit dem jemand versuchte, ihn am Einschlafen zu hindern.
»Wach auf! Wenn du auch nur einen Augenblick länger hier liegen bleibst, wirst du geröstet wie ein Hühnchen am Grill.«
Conrad hätte gerne erwidert, dass genau das seine Absicht war, aber da legte die Person neben ihm einen nasskalten Fetzen in seinen Nacken. Conrad erkannte sofort, dass es kein Salzwasser war,
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