Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
und trugen Bärte, ihre Haare waren lang und zu einem oder mehreren Zöpfen zusammengebunden. Einer trug sogar seinen Bart geflochten.
Der Anführer, ein kleiner, untersetzter Mann mit blonden Haaren und kurzem, rotblondem Bart, trat auf Conrad zu, hielt ihm ein Schwert vor die Nase und herrschte ihn im Befehlston an: »Aufstehen!«
Er sprach Niederländisch, weshalb Conrad ihn auch verstand. Der Mann trug eine Kniebundhose ohne Strümpfe und ein Hemd, das in ferner Vergangenheit einmal weiß gewesen sein könnte. Um den Kopf hatte er ein schwarzes Tuch gebunden. In beiden Ohrläppchen baumelten goldene Ohrringe.
»Hättet Ihr die Freundlichkeit, die Waffe wegzustecken«, knurrte Conrad und hievte sich umständlich hoch. Er wollte einfach nicht glauben, dass die kurze Zeit der Erholung schon wieder vorbei sein sollte.
»Ruhe!«, blaffte der Niederländer und drückte das Schwert nun gegen Conrads Brust. Der kalte Stahl bohrte sich durch sein zerrissenes Hemd und ritzte seine Haut auf.
»Ist das dort dein Sklave?«
Conrad schüttelte den Kopf: »Assante ist ein freier Mann.«
»Warum hat er dann Ringe an den Händen und an den Füßen?«
»Fragt ihn selbst. Er spricht Spanisch und Latein«, sagte Conrad patzig. Er verspürte keinerlei Angst, sondern war einfach nur verärgert, dass er nicht in Ruhe hatte ausschlafen können. Die ganze Situation kam ihm unwirklich vor, wie ein Possenspiel auf einem Jahrmarkt, in dem ein dummer Hanswurst von einem Unglück ins nächste stolperte. Im Moment waren er und Assante die Hanswürste.
Der Niederländer senkte das Schwert, trat näher zu Conrad und schlug ihm ohne Vorwarnung mit der flachen Hand ins Gesicht. Sofort geriet Conrad ins Taumeln, aus seiner Nase tropfte Blut.
»Bei der nächsten falschen Antwort hacke ich dir ein Ohr ab«, drohte der Mann. Conrad war davon überzeugt, dass er die Wahrheit sagte. Trotzdem stellte sich die Angst, die nun lebensrettend sein konnte, nicht ein, stattdessen wuchs Conrads Wut. Am liebsten hätte er dem zu kurz geratenen Mann vor sich seine Meinung entgegengebrüllt. Wo war die Moral all dieser Männer, die einfach überfielen und raubten, wie es ihnen beliebte? Aber ein letzter Rest gesunder Menschenverstand, der Wille, weiterhin am Leben zu bleiben, und vor allem Assantes alarmierter Gesichtsausdruck hielten ihn schließlich davon ab.
Der Niederländer befahl einem seiner Männer mit dunkler Haut und ebensolchem Haar, den Schwarzen auf Spanisch zu fragen, ob er der Sklave von dem eingebildeten Deutschen sei.
»Ich heiße Pfeiffer und stamme aus Wien«, berichtigte Conrad.
»Wo immer dieses Kaff auch liegen mag.«
Conrad seufzte. Es war klar, dass der Mann nicht nur brutal, sondern auch ungebildet war.
»Wien liegt an der Donau und ist die Hauptstadt der Habsburger.« Conrad konnte sich die Zurechtweisung einfach nicht verkneifen.
»Ha, ein Habsburger- und Katholikenschwein!«, knurrte der Niederländer. »Allein dafür sollte ich dir beide Ohren abhacken.«
Währenddessen war der drahtige Spanier zu Assante getreten und fing an, sich mit ihm zu unterhalten. Nach einer Weile wandte er sich an seinen Anführer und erklärte: »Der Mann behauptet, dass der Blonde ihm das Leben gerettet hat. Er ist angeblich Arzt. Die beiden konnten von der Santa Lucia flüchten, die Kapitän Morgan angegriffen hat.«
»Morgan ist weiter nach Tobago gesegelt«, murmelte der Niederländer. »Er hatte offenbar keine Verwendung für die beiden.«
Der Spanier schüttelte den Kopf: »Ich glaube, er weiß gar nichts von ihnen. Zum Zeitpunkt des Angriffs waren sie in einem Lagerraum. Morgan würde nie einen Arzt gehen lassen. Seine Männer haben im Moment keinen.«
»Umso besser, wenn er nichts von beiden weiß!« Der Niederländer schob sein Schwert zurück in seinen Gurt und grinste breit.
»Ihr habt Glück, Doktor Pfeiffer. Unser Arzt ist vor Monaten verstorben, seither müssen unsere Männer sich selbst behandeln, was nur sehr selten von Erfolg gekrönt ist. Ich kann ein Lied davon singen.« Er drehte sich um, und nun sah Conrad, warum der Mann keine Strümpfe anhatte. Über seine rechte Wade zog sich eine tiefe Schnittwunde, die sich entzündet hatte und eiterte.
»Ihr müsst die Wunde mit Branntwein reinigen, mit Beinwellpaste beschmieren und sorgfältig verbinden, damit kein Schmutz hineinkommt. Und beten.«
»Das mit dem Beten lass ich lieber«, das Grinsen wurde breiter. »Ich habe nicht so gute Verbindungen nach oben! Das überlasse
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