Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
schmoren.«
»In der Hölle schmore ich jetzt schon, und zwar Tag für Tag«, sagte Richard bitter. »Das Jüngste Gericht kann dagegen bloß ein gemütlicher Spaziergang werden.«
Aus unerfindlichem Grund wurden Toms Gesichtszüge wieder friedlicher, Jana meinte darin so etwas wie Mitleid zu erkennen.
Unterdessen suchte Richard in seiner Tasche nach einer frischen Flasche Zuckerrohrbrand, holte sie heraus, entkorkte sie mit den Zähnen und prostete Tom und Jana zu. Dann setzte er sie an den Mund und trank einen kräftigen Schluck. In dem Moment kam ein junger Mönch, um sie in die Gästekammer zu bringen.
Richard hielt weiter die Flasche in der Hand und dachte nicht daran, sie zu verstecken. Ganz im Gegenteil, kaum war der Junge da, machte Richard einen weiteren Schluck, rülpste laut und irritierte mit seinem unhöflichen Verhalten den freundlichen Jungen, der verunsichert die Gäste musterte.
Tom murmelte eine Entschuldigung, und der Junge lächelte. Dann lief er ihnen voraus, um seine Aufgabe rasch hinter sich zu bringen.
Das Gästezimmer war ein einfacher, sauberer Raum, in dem sich keine Betten, sondern nur Strohlager befanden. Das Stroh duftete frisch, und Jana hätte sich am liebsten sofort hineingelegt und geschlafen.
»Ich gehe in die Stadt und suche nach Conrad«, erklärte sie.
»Ihr glaubt also immer noch, dass Ihr Euren Verlobten findet?«, fragte Richard mitleidig.
»Natürlich glaube ich es«, erwiderte sie. »Sonst wäre ich nicht so weit gereist.«
Richards Stimme nahm einen spöttischen Ton an: »Verzeiht mir. Ich dachte, Ihr wärt auf der Suche nach einem legendären Schatz.«
Jana antwortete nicht. Sie hatte nicht vor, sich von Richard provozieren zu lassen. In den letzten Wochen hatte sie es sich nur selten gestattet, an Conrad zu denken, aus Angst, der Schmerz, den die Erinnerung auslöste, könnte sie überwältigen. Jetzt, da sie in Barinas angekommen war, in jener Stadt, in der sie auf ein Wiedersehen hoffte, wollte sie nicht nur an Conrad denken, sondern ihn vor allem finden.
Bis zum Abendessen blieb ihr noch genügend Zeit, in einigen Schankstuben und Straßenküchen der Stadt nachzufragen. Vielleicht hatte jemand von dem Arzt aus Wien gehört.
»Ihr könnt Euch die Suche sparen«, sagte Richard abfällig.
»Auch wenn Ihr verzweifelt seid, so haltet endlich Euren Mund!«, fuhr ihn Tom an. An Jana gerichtet fragte er freundlich: »Soll ich Euch begleiten?«
Dankbar nahm Jana sein Angebot an, und gemeinsam verließen sie die Gästekammer, während Richard mit trübem Blick in seine Flasche schaute.
Pünktlich zum Abendessen waren Jana und Tom wieder zurück. Leider hatten sie nichts Neues erfahren. Niemand hatte etwas von einem Arzt aus Wien gehört. Eine mitteilungsbedürftige Wirtin hatte ihnen erzählt, wer in der Stadt mit wem verfeindet war und wer wen heiraten würde, aber bei der Frage nach Conrad hatte sie bloß den Kopf geschüttelt. Dennoch wollte Jana die Hoffnung nicht aufgeben. Schließlich gab es am anderen Ende der Stadt auch noch Tavernen und Straßenküchen, dort wollte sie gleich morgen früh nachfragen.
Nun saß sie schweigend im hellen, langgetreckten Speisesaal des Klosters. Anders als in Caracas nahm sie nun gemeinsam mit Richard und Tom am Abendessen der Mönche teil. Gegenüber von Jana saß ein älterer Mönch mit eingefallenen Wangen und strengem Gesichtsausdruck. Ignazio hatte sie beim Betreten des Speisesaals vor ihm gewarnt.
»Bruder Edmundo ist unser Kellermeister. Er ist schon über siebzig und lebt seit fünfzig Jahren in Barinas. Sein Geist ist manchmal verwirrt. Er kann mitunter sehr beleidigend sein, kümmert Euch nicht um ihn, wenn er ausfällig wird. Sein Hass richtet sich ausschließlich gegen mich, da er der Meinung ist, dass ich bei der Missionierung der Einheimischen nicht hart genug durchgreife. Aus einem mir nicht verständlichen Grund ist er davon überzeugt, dass die Lehre Christi mit dem Schwert verbreitet werden kann.«
Jana beobachtete den alten Mann mit dem schmalen, verkniffenen Mund aus den Augenwinkeln und stellte erschrocken fest, dass er ihr unentwegt auf den Busen starrte. Hatte das Tuch, mit dem sie am Morgen ihren Busen festgebunden hatte, sich gelockert? Jana wagte es nicht, an sich herunterzuschauen.
»Ihr habt das Gesicht einer Frau«, sagte der Alte, als seine Schüssel leer war.
Ignazio hob den Kopf und nickte Jana zu, so als wollte er damit zeigen, dass es das war, wovor er sie gewarnt hatte.
»Bruder
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