Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
Edmundo, unsere Gäste sind hier, um mit uns zu speisen, und nicht, sich von dir beleidigen zu lassen.«
»Er schaut aus wie ein Weib«, beharrte der Alte.
Nun waren die Blicke aller auf Jana gerichtet, und sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Diese Situation hatte sie mit ihrer Verkleidung ganz sicher nicht provozieren wollen.
Einer der jungen Männer schien ihr begehrliche, fast verliebte Blicke zuzuwerfen. Hatte er ihr Geheimnis durchschaut, oder fand er weiblich aussehende Männer anziehend? Jana hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst. Warum hatte sie nicht kurz vor Barinas ihre Kleidung gewechselt?
Nun wandte Richard sich plötzlich dem alten Mann zu.
»Pater Ignazio hat erzählt, dass Ihr schon über fünfzig Jahre in Barinas lebt. Das ist eine lange Zeit. Fühlt Ihr Euch hier zu Hause, oder sehnt Ihr Euch nach Eurer alten Heimat?«
Nun richtete sich die Aufmerksamkeit auf den Alten, nur die begehrlichen Augen des jungen Mönches mit den weichen Gesichtszügen und den ungewöhnlich langen Wimpern blieben bei Jana.
Edmundo stieß einen übertriebenen Seufzer aus. »Wie soll man sich in einem Land voller Heiden je zu Hause fühlen? Wenn es nach mir ginge, würden wir alle Ungläubigen auf einem riesigen Scheiterhaufen verbrennen. Ihr Irrglaube ist ein bösartiges Geschwür, das rasch wächst, wenn man es nicht ein für alle Mal vernichtet. Leider teilen nicht alle hier diese Meinung.«
Er blickte in Ignazios Richtung und lehnte sich selbstgefällig zurück. Jana merkte, wie ihr die Luft wegblieb bei den brutalen Worten des Alten.
»Edmundo, du weißt, dass ich diese Worte nicht gutheiße«, sagte Ignazio sanft, aber bestimmt.
Der Alte schnaubte so laut und abfällig, dass man es nur als Beschimpfung auffassen konnte.
»Die Gottlosigkeit der Stadt beginnt mit ihrem Namen. Eigentlich sollte der Ort Altamira de Cáceres heißen, aber die Ungläubigen haben den alten Namen der Stadt durchgesetzt. Es ist eine Schande. Keine christliche Stadt sollte den Namen eines Windes tragen.«
Jana verstand nicht, was daran eine Schande war, aber sie hütete sich davor, dem alten Mann zu widersprechen.
»Früher sind die Piraten vom Orinoco bis hierher gekommen und haben geraubt und gemordet«, sagte der Alte.
»Wie kann das sein?«, fragte Richard.
»Na, wie wohl?«, keifte Edmundo. »Es gibt Flüsse, die bis hierher führen. Aber die Spanier haben Festungen entlang des Orinoco bauen lassen. Seither sind die Überfälle weniger geworden, aber der Ort ist immer noch gottlos.«
»Seit ich hier bin, hat es keinen einzigen Zwischenfall mit Piraten gegeben«, sagte Ignazio. Die letzte Bemerkung des Alten ließ er unkommentiert.
»Seid froh darüber«, sagte Edmundo. »Die Überfälle waren schrecklich. Die Piraten plünderten und nahmen alles, was ihnen in die Hände fiel. Sie schlugen den Mönchen die Köpfe ein und schlitzten den Einheimischen die Bäuche auf. Die Frauen nahmen sie mit, und Gott allein weiß, was sie mit ihnen anstellten.«
Der Ausdruck auf Edmundos Gesicht war alles andere als entsetzt. Es war, als bereiteten ihm die Vorstellungen großes Vergnügen.
Jana lief es kalt über den Rücken. Sie wusste nur zu gut, wie das Leben für Frauen unter Piraten aussah, und fand es abstoßend, dass der alte Mann sich darüber freute.
»Gibt es Männer, die über den Fluss ans Meer fahren?«, wollte Richard wissen. Immer wieder stellte er neue Fragen, offensichtlich wollte er so den Alten von Jana ablenken. Vielleicht wollte er seine Unhöflichkeit vom Nachmittag wiedergutmachen.
»Natürlich gibt es die. Gleich hinter dem Kloster lebt Pacorro, ein Händler, der regelmäßig mit seinem Schiff bis ins Orinoco Delta segelt.«
Nun horchte Jana interessiert auf. Wer bis ins Orinoco Delta segelte, hatte vielleicht auch vom Überfall auf die portugiesische Nao Santa Lucia gehört oder von Überlebenden, die auf dem Weg nach Barinas waren. Voller neuer Hoffnung löffelte sie ihren Eintopf aus und schmeckte beim kalten Rest, wie köstlich das Gericht war.
»Und Ihr seht doch wie eine Frau aus«, sagte Edmundo ohne Vorwarnung. »Die Art, wie Ihr Euren Löffel haltet – genau wie eine Frau.« Er starrte Jana aus seinen milchigen Augen an und trommelte mit seinen knochigen Fingern auf die Tischplatte.
Jana legte den Löffel zur Seite und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund, in der Hoffnung, dass das männlich war.
»Lieber Bruder Edmundo. Es scheint, als würde Euch das Gespräch
Weitere Kostenlose Bücher